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26. Was versteht die Bundesregierung unter dem Begriff „Staatswohl“ (beispielsweise Antwort auf die Schriftlichen Fragen 4 und 38 auf Bundestagsdrucksache 20/3987, Antwort auf die Schriftliche Frage 2 auf Bundestagsdrucksache 20/4141)?
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Inhalt und Umfang des parlamentarischen Fragerechts richten sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Danach ist Staatswohl das Wohl des Bundes oder eines Landes, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (BVerfG, Urteil vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, BVerfGE 124, 78, 123).
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27. Dient die zeitnahe Aufklärung des beispiellosen Angriffs auf die kritische Infrastruktur Deutschlands nach Ansicht der Bundesregierung auch dem Staatswohl eines demokratischen Rechtsstaats, und wenn ja, inwiefern ist sie ggf. anderen Kriterien des Staatswohls untergeordnet?
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Das Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung des Sachverhalts und damit der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ab und hat Verfassungsrang. Zur Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege gehört aber auch die Aufklärung schwerer Straftaten als wesentlicher Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens und damit auch, laufende Ermittlungen nicht durch die Preisgabe einzelner Erkenntnisse zu erschweren oder zu vereiteln. Im Einzelfall bedarf es daher stets einer sorgfältigen verfassungsrechtlichen Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an sachverhaltsaufklärenden Informationen und dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse zum Schutz der laufenden Ermittlungen.
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Vorbemerkung der Fragesteller
Mit der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 20/823 wurde unter ande rem abgefragt, wie viele und welche Trinkwassernotbrunnen in Thüringen seit dem Jahr 2010 ertüchtigt bzw. gebohrt wurden und wie hoch jeweils der finan zielle Aufwand gewesen ist. Mit dieser Kleinen Anfrage sollen die bereits vor liegenden Informationen um die aktuellen Daten ergänzt werden.
1. In welcher Höhe standen in dem Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2022 Mittel zur Ertüchtigung oder Bohrung von Trinkwas sernotbrunnen in Thüringen zur Verfügung (bitte nach Jahren auflisten)?
2. Wie viele und welche Trinkwassernotbrunnen wurden in Thüringen in dem Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2022 ertüchtigt bzw. gebohrt (bitte einzeln auflisten), und wie hoch war jeweils der finan zielle Aufwand (bitte einzeln auflisten)?
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Die Fragen 1 und 2 werden im Zusammenhang beantwortet.
Durch die Bundesregierung wurden im Jahr 2022 insgesamt 1 122 697 Euro für die Teilfinanzierung von Maßnahmen zur Sicherstellung der Trinkwassernot versorgung in Thüringen zur Verfügung gestellt. Von diesen Mitteln wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in Thüringen keine Trinkwassernotbrunnen errichtet oder ertüchtigt.
Für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2021 wird auf die Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksachen 19/21267 und 20/823 verwiesen.
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Vorbemerkung der Fragesteller
Der Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 3, 4 und 6 der Kleinen Anfrage „Mögliche Teilnahme von Mitgliedern der Bundesregierung und Bundesbeamten an Karnevalsveranstaltungen im Jahr 2023“ auf Bundestagsdrucksache 20/6050 ist zu entnehmen, dass die Bundesbehörden zu den in der Fragestellung angesprochenen Punkten keine Übersichten führen und daher die erfragten Daten für die Bundesregierung nicht durch eine einfache technische Auswertung zusammengestellt werden können, sondern eine aufwändige – mit Rückfragen verbundene – Auswertung bzw. eine Abfrage bei allen Beamtinnen und Beamten des Bundes erforderlich machen würde. Zudem hätte sich die Anzahl der Beamtinnen und Beamten zum Stichtag 30. Juni 2021 (sowie der Richterinnen und Richter) innerhalb des Bundes auf 194 715 Personen belaufen, durch die Personalaufwüchse in den letzten zwei Jahren liege diese Zahl gegenwärtig sogar noch höher (ebd.).
1. Ist der Bundesregierung die Beantwortung einer Frage nach Daten nur noch unter der Voraussetzung möglich, dass die erfragten Daten durch eine einfache technische Auswertung zusammengestellt werden können?
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Bei der Beantwortung einer Frage nach Daten kommt es auf die Fragestellung und vorhandene Dokumentation an.
Bei der hier in Rede stehenden Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 20/6050 bezogen sich die Fragen 1 und 2 nur auf die Mitglieder der Bundesregierung. Für diesen kleinen Personenkreis kann die erforderliche Datenerhebung mit zumutbarem Aufwand auch ohne eine technische Auswertung erfolgen.
Die Fragen 3, 4 und 6 betrafen alle aktiven Bundesbeamtinnen und -beamten. Eine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher in den Fragestellungen angespro-
chenen Daten besteht nicht, eine solche umfassende, technisch auswertbare Dokumentation wurde auch nicht durchgeführt. Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung dargestellt, können die angefragten Daten daher nur durch eine Abfrage bei allen rund 200 000 Beamtinnen und Beamten des Bundes erhoben werden. Zum unzumutbaren Aufwand zur Beantwortung dieser Fragen hat die Bundesregierung in ihrer Antwort Stellung genommen.
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2. Wie viele Personen erhalten aktuell ihre Bezüge aus der Staatskasse des Bundes?
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Es ist nicht Bestandteil der parlamentarischen Kontrollfunktion des Bundestages, frei verfügbare Informationen durch die Bundesregierung zusammentragen und anschaulich aufbereiten zu lassen.
Die der Bundesregierung vorliegenden Daten zu den Beschäftigten im Bundesbereich können der Fachserie 14 Reihe 6, Tabelle 3.4, des Statistischen Bundesamtes (Destatis) entnommen werden.
Die Daten zu den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes werden durch das Statistische Bundesamt jährlich zum Stichtag 30. Juni – zuletzt zum 30. Juni 2021 – erhoben. Die aktuelle Fassung der Fachserie 14 Reihe 6 kann unter www.statistischebibliothek.de/mir/receive/DESerie_mods_00000140 abgerufen werden.
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Vorbemerkung der Fragesteller
Laut Statistischem Bundesamt (Fachserie 1, Reihe 2: „Ausländische Bevölkerung, Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 2021“) stieg die Zahl der Menschen, die in Deutschland leben und als staatenlos oder als Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit gelten, seit dem Jahr 2014 kontinuierlich. Ende des Jahres 2021 betraf dies 122 885 Menschen, von denen 27 940 als „staatenlos“ anerkannt und 94 945 mit einer „ungeklärten Staatsangehörigkeit“ registriert wurden und die somit auch potentiell von Staatenlosigkeit betroffen sind (vgl. www.asyl.net/fileadmin/user_upload/beitraege_asylmagazin/Beitraege_AM_2 017/AM17_9_beitrag_hoffmann.pdf). Mehr als 45 000 der von Staatenlosigkeit betroffenen Personen sind minderjährig, über 34 000 sind in Deutschland geboren.
Betroffene berichten nach Kenntnis der Fragestellenden von erheblichen Schwierigkeiten bei der Anerkennung ihrer Staatenlosigkeit und intransparenten behördlichen Prozessen. Dies könnte nach Auffassung der Fragestellenden vor allem damit erklärt werden, dass bisher kein bundesweit einheitliches Verfahren zur Feststellung von Staatenlosigkeit existiert. Hinzu könnten strenge behördliche Anforderungen bei der Mitwirkungspflicht sowie fehlende Beratung kommen. So berichten Betroffene nach Kenntnis der Fragestellenden in Einzelfällen, dass zuständige Behörden mündlich die Vorlage nicht beschaffbarer Dokumente verlangen und nur sehr selten Informationsschreiben aushändigen, in denen genau festgelegt wird, welche Schritte umgesetzt werden müssen, um der Mitwirkungspflicht hinreichend nachzukommen. Insgesamt ziehen sich die Verfahren nach Schilderungen Betroffener sehr in die Länge.
Das Fehlen eines bundesweit formalisierten Feststellungsverfahrens hat u. a. zur Folge, dass Staatenlosigkeit nur inzident von Behörden geprüft oder angenommen wird, ohne formelle Bindungswirkung gegenüber Dritten. Betroffene berichten, dass sogar ein Wohnortwechsel innerhalb Deutschlands bzw. der damit verbundene Wechsel der zuständigen Ausländerbehörde zu einem Statuswechsel von „staatenlos“ zu „ungeklärt“ (und umgekehrt) führen kann. Dies beeinträchtigt nach Ansicht der Fragestellenden die Rechtssicherheit und erzeugt einen erheblichen behördlichen Aufwand.
Die Hürden bei der Feststellung von Staatenlosigkeit können dazu führen, dass Staatenlose als Personen mit einer „ungeklärten Staatsangehörigkeit“ re-
gistriert werden. Eine „ungeklärte Staatsangehörigkeit“ ist kein juristischer, sondern ein administrativer Begriff (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 9 C 42.99 vom 25. Juli 2000). Obwohl dieser nur als temporärer Arbeitsbegriff angelegt ist (bis zur Klärung von Staatsangehörigkeit oder Staatenlosigkeit), erstreckt sich diese Kategorisierung für viele Betroffene über Jahre, Jahrzehnte oder sogar über Generationen hinweg. Ungeklärte Staatsangehörigkeit bedeutet einen erschwerten Zugang zu Identitäts- und Reisedokumenten, daraus resultieren Einschränkungen der Reisefreiheit, Schwierigkeiten, eine Niederlassungserlaubnis zu erlangen, sowie unter Umständen die Unmöglichkeit, sich in Deutschland einbürgern lassen zu können, weil hierfür eine geklärte Staatsangehörigkeit vorausgesetzt wird. Diese Barriere bei Einbürgerungen wurde im Jahr 2019 mit der Einführung der „geklärten Identität und Staatsangehörigkeit“ als ausdrückliche Einbürgerungsvoraussetzung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) verfestigt, insbesondere weil diesbezüglich auch keine Ausnahme- oder Härtefallregelung vorgesehen ist (vgl. §§ 8 und 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes – StAG). Das gilt auch für in Deutschland geborene Personen, die ihren rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.
Staatenlosigkeit durchzieht alle Lebensbereiche der Betroffenen und erschwert ihnen das Gefühl von Zugehörigkeit und ihre gesellschaftliche und politische Teilhabe. Insbesondere für in Deutschland geborene Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein anderes Land außer Deutschland kennen, ist dies nach Kenntnis der Fragestellenden eine belastende, unsichere und verzweifelte Situation.
Der im Jahr 2021 gegründete Verein Statefree e. V. (statefree.world/) widmet sich als erste und einzige Organisation in Deutschland ganzheitlich dem Thema Staatenlosigkeit. Die Betroffenen-zentrierte Arbeit des Vereins zeichnet ein zunehmend alarmierendes Bild über die Lebensrealität der von Staatenlosigkeit betroffenen Menschen in Deutschland. Dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) wurde von der UN-Generalversammlung im Jahr 2003 ein spezielles Mandat für Staatenlose übertragen, weil sich die Probleme von Flüchtlingen und Staatenlosen oft überschneiden. Auf völkerrechtlicher Ebene widmen sich vor allem die Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 und zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 dem Problem (www.unhcr.org/dach/de/ueber-uns/wem-wi r-helfen/staatenlose). Das Deutsche Institut für Menschenrechte berichtet als Monitoring-Stelle der UN-Kinderrechtskonvention über Probleme bei der Geburtenregistrierung, die in Deutschland geborene Kinder von Geflüchteten dem Risiko der Staatenlosigkeit aussetzen (www.ggua.de/fileadmin/download s/Neugeborene/2021_Papiere_von_Anfang_an.pdf).
Die folgenden Fragen an die Bundesregierung zielen ab auf einen umfassenden Überblick zur Problemlage, zur Aufklärung der möglichen Gründe hierfür und zu Konsequenzen, die daraus gegebenenfalls zu ziehen sind.
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Gründe für die seit 2014 stetig steigende Zahl von Staatenlosen und Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit (bitte differenzieren) in Deutschland (siehe Vorbemerkung der Fragesteller; bitte ausführen)?
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Hierzu liegen der Bundesregierung keine belastbaren Erkenntnisse vor.
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a) Wie viele anerkannt Staatenlose leben in Deutschland (bitte rückblickend auch für die Jahre bis 2014 angeben und nach Alter, Aufenthaltsstatus, Geburtsort und Geburtsland und Aufenthaltsdauer differenzieren)?
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Zum Stichtag 28. Februar 2023 waren im Ausländerzentralregister (AZR) 29 614 als in Deutschland aufhältig erfasste Personen als Staatenlose registriert. Die Anzahl der Aufhältigen liegt für die erfragten Jahre (jeweils zum 31. De-
zember) vor, differenzierte Angaben im Sinne der Fragestellung lassen sich aber aus den Daten des AZR erst ab dem Jahr 2017 automatisiert ermitteln. Die weiteren Angaben können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden.
Stichtag Alter Anzahl Personen
28.02.2023 unter 18 Jahren 7.439
18 Jahre und älter 22.175
Gesamt 29.614
31.12.2022 unter 18 Jahren 7.454
18 Jahre und älter 22.001
Gesamt 29.455
31.12.2021 unter 18 Jahren 7.285
18 Jahre und älter 20.655
Gesamt 27.940
31.12.2020 unter 18 Jahren 7.008
18 Jahre und älter 19.438
Gesamt 26.446
31.12.2019 unter 18 Jahren 7.024
18 Jahre und älter 19.365
Gesamt 26.389
31.12.2018 unter 18 Jahren 6.818
18 Jahre und älter 19.178
Gesamt 25.996
31.12.2017 unter 18 Jahren 6.177
18 Jahre und älter 18.471
Gesamt 24.648
Stichtage Anzahl Personen
31.12.2016 22.261
31.12.2015 18.608
31.12.2014 14.649
Stichtag Aufenthaltsstatus Anzahl Personen
28.02.2023 Niederlassungserlaubnis 6.432
Aufenthaltserlaubnis 17.219
Aufenthaltsgestattung 415
Duldung 840
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
3.622
kein Aufenthaltsrecht 1.086
Gesamt 29.614
31.12.2022 Niederlassungserlaubnis 6.353
Aufenthaltserlaubnis 17.096
Aufenthaltsgestattung 420
Duldung 862
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
3.636
kein Aufenthaltsrecht 1.088
Gesamt 29.455
Stichtag Aufenthaltsstatus Anzahl Personen
31.12.2021 Niederlassungserlaubnis 5.875
Aufenthaltserlaubnis 16.240
Aufenthaltsgestattung 595
Duldung 842
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
3.396
kein Aufenthaltsrecht 992
Gesamt 27.940
31.12.2020 Niederlassungserlaubnis 5.038
Aufenthaltserlaubnis 16.054
Aufenthaltsgestattung 706
Duldung 814
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
2.796
kein Aufenthaltsrecht 1.038
Gesamt 26.446
31.12.2019 Niederlassungserlaubnis 4.797
Aufenthaltserlaubnis 16.400
Aufenthaltsgestattung 849
Duldung 749
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
2.535
kein Aufenthaltsrecht 1.059
Gesamt 26.389
31.12.2018 Niederlassungserlaubnis 4.777
Aufenthaltserlaubnis 15.645
Aufenthaltsgestattung 1.071
Duldung 691
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
2.503
kein Aufenthaltsrecht 1.309
Gesamt 25.996
31.12.2017 Niederlassungserlaubnis 4.771
Aufenthaltserlaubnis 14.041
Aufenthaltsgestattung 1.239
Duldung 579
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
2.371
kein Aufenthaltsrecht 1.647
Gesamt 24.648
Angaben zum Geburtsland können aus den Daten des AZR nur zum aktuellen Stichtag 28. Februar 2023 ermittelt werden. Das Merkmal „Geburtsland“ ist zudem erst seit dem 1. November 2022 verpflichtend an das AZR zu melden. Die nachfolgenden Daten sind daher nur eingeschränkt belastbar.
Geburtsland Anzahl Personen
Gesamt 29.614
Syrien 13.219
kein AZR-Eintrag zum Geburtsland 7.690
Geburtsland Anzahl Personen
Deutschland 2.928
Libanon 1.384
Libyen 372
Russland 273
Vereinigte Arabische Emirate 271
Rumänien 269
Lettland 265
Türkei 258
Saudi-Arabien 248
Kuwait 226
Israel 202
Aserbaidschan 174
Ukraine 146
Irak 143
Jordanien 129
Kasachstan 113
Armenien 81
Polen 70
sowie etwa 100 weitere Geburtsländer 1.153
Stichtag Aufenthaltsdauer seit der letzten Einreise Anzahl Personen
28.02.2023 unter 5 Jahren 6.561
5 Jahre und länger 23.053
Gesamt 29.614
31.12.2022 unter 5 Jahren 6.740
5 Jahre und länger 22.715
Gesamt 29.455
31.12.2021 unter 5 Jahren 8.022
5 Jahre und länger 19.918
Gesamt 27.940
31.12.2020 unter 5 Jahren 9.270
5 Jahre und länger 17.176
Gesamt 26.446
31.12.2019 unter 5 Jahren 14.590
5 Jahre und länger 11.799
Gesamt 26.389
31.12.2018 unter 5 Jahren 15.577
5 Jahre und länger 10.419
Gesamt 25.996
31.12.2017 unter 5 Jahren 14.514
5 Jahre und länger 10.134
Gesamt 24.648
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25,625 |
b) Wie viele Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit leben in Deutschland (bitte rückblickend auch für die Jahre bis 2014 angeben und nach Alter, Aufenthaltsstatus, Geburtsort und Geburtsland und Aufenthaltsdauer differenzieren)?
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Zum Stichtag 28. Februar 2023 waren im AZR 94 954 als in Deutschland aufhältig erfasste Personen mit „ungeklärter Staatsangehörigkeit“ registriert. Die Anzahl der Aufhältigen liegt für die erfragten Jahre (jeweils zum 31. Dezember) vor, differenzierte Angaben im Sinne der Fragestellung lassen sich aber aus den Daten des AZR erst ab dem Jahr 2017 automatisiert ermitteln. Die weiteren Angaben können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden.
Stichtag Alter Anzahl Personen
28.02.2023 unter 18 Jahren 39.053
18 Jahre und älter 55.901
Gesamt 94.954
31.12.2022 unter 18 Jahren 39.130
18 Jahre und älter 55.779
Gesamt 94.909
31.12.2021 unter 18 Jahren 37.173
18 Jahre und älter 52.500
Gesamt 89.673
31.12.2020 unter 18 Jahren 35.345
18 Jahre und älter 50.070
Gesamt 85.415
31.12.2019 unter 18 Jahren 32.110
18 Jahre und älter 48.181
Gesamt 80.291
31.12.2018 unter 18 Jahren 29.058
18 Jahre und älter 46.046
Gesamt 75.104
31.12.2017 unter 18 Jahren 26.496
18 Jahre und älter 43.780
Gesamt 70.276
Stichtage Anzahl Personen
31.12.2016 68.211
31.12.2015 52.836
31.12.2014 37.588
Stichtag Aufenthaltsstatus Anzahl Personen
28.02.2023 Niederlassungserlaubnis 9.083
Aufenthaltserlaubnis 48.700
Aufenthaltsgestattung 4.088
Duldung 7.526
kein Aufenthaltsrecht 15.956
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
9.601
Gesamt 94.954
Stichtag Aufenthaltsstatus Anzahl Personen
31.12.2022 Niederlassungserlaubnis 9.015
Aufenthaltserlaubnis 48.503
Aufenthaltsgestattung 4.115
Duldung 7.672
kein Aufenthaltsrecht 16.005
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
9.599
Gesamt 94.909
31.12.2021 Niederlassungserlaubnis 8.159
Aufenthaltserlaubnis 46.978
Aufenthaltsgestattung 4.208
Duldung 7.395
kein Aufenthaltsrecht 14.133
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
8.800
Gesamt 89.673
31.12.2020 Niederlassungserlaubnis 7.105
Aufenthaltserlaubnis 46.729
Aufenthaltsgestattung 4.200
Duldung 7.183
kein Aufenthaltsrecht 12.694
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
7.504
Gesamt 85.415
31.12.2019 Niederlassungserlaubnis 6.630
Aufenthaltserlaubnis 45.290
Aufenthaltsgestattung 4.544
Duldung 6.620
kein Aufenthaltsrecht 11.054
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
6.153
Gesamt 80.291
31.12.2018 Niederlassungserlaubnis 6.353
Aufenthaltserlaubnis 41.119
Aufenthaltsgestattung 4.672
Duldung 6.458
kein Aufenthaltsrecht 10.743
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
5.759
Gesamt 75.104
31.12.2017 Niederlassungserlaubnis 6.382
Aufenthaltserlaubnis 35.988
Aufenthaltsgestattung 5.170
Duldung 5.916
kein Aufenthaltsrecht 11.391
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
5.429
Gesamt 70.276
Angaben zum Geburtsland können aus den Daten des AZR nur zum aktuellen Stichtag 28. Februar 2023 ermittelt werden. Das Merkmal „Geburtsland“ ist zudem erst seit dem 1. November 2022 verpflichtend an das AZR zu melden. Die nachfolgenden Daten sind daher nur eingeschränkt belastbar.
Geburtsland Anzahl Personen
Gesamt 94.954
kein AZR-Eintrag eines Geburtslandes 40.349
Syrien 24.316
Deutschland 5.403
Libanon 4.928
Libyen 911
Ukraine 700
Irak 663
Saudi-Arabien 517
Afghanistan 494
Israel 491
Eritrea 398
Lettland 390
Vereinigte Arabische Emirate 376
Jordanien 329
Russland 293
Türkei 246
Kuwait 226
Aserbaidschan 205
Iran 161
Italien 145
sowie 127 weitere Geburtsländer 3.413
Stichtag Aufenthaltsdauer seit der letzten Einreise Anzahl Personen
28.02.2023 unter 5 Jahren 37.909
5 Jahre und länger 57.045
Gesamt 94.954
31.12.2022 unter 5 Jahren 37.761
5 Jahre und länger 57.148
Gesamt 94.909
31.12.2021 unter 5 Jahren 37.030
5 Jahre und länger 52.643
Gesamt 89.673
31.12.2020 unter 5 Jahren 37.878
5 Jahre und länger 47.537
Gesamt 85.415
31.12.2019 unter 5 Jahren 50.290
5 Jahre und länger 30.001
Gesamt 80.291
31.12.2018 unter 5 Jahren 49.381
5 Jahre und länger 25.723
Gesamt 75.104
Stichtag Aufenthaltsdauer seit der letzten Einreise Anzahl Personen
31.12.2017 unter 5 Jahren 45.431
5 Jahre und länger 24.845
Gesamt 70.276
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267074
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25,626 |
c) Welche sind die häufigsten Herkunftsländer von anerkannt Staatenlosen und die dem zugrunde liegenden Gründe?
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Soweit Angaben zum Geburtsland vorliegen, werden diese in der Antwort zu Frage 1a aufgeführt. Weitere Erkenntnisse zum ersten Teil der Frage liegen nicht vor. Zu den Gründen wird auf die Antwort zu Frage 1e verwiesen.
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267074
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25,627 |
d) Welche sind die häufigsten Herkunftsländer von Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit und die dem zugrunde liegenden Gründe?
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Soweit Angaben zum Geburtsland vorliegen, werden diese in der Antwort zu Frage 1b aufgeführt. Weitere Erkenntnisse zum ersten Teil der Frage liegen nicht vor. Zu den Gründen wird auf die Antwort zu Frage 1e verwiesen.
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267074
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25,628 |
e) Welche Gründe gibt es nach Einschätzung der Bundesregierung insgesamt dafür, dass Personen aus den jeweiligen Herkunftsländern in Deutschland staatenlos sind oder mit einer ungeklärten Staatsangehörigkeit kategorisiert werden (bitte, soweit möglich und nötig, auch nach wichtigsten Herkunftsländern differenzieren)?
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Die Gründe, die hinter einer anerkannten Staatenlosigkeit oder hinter einer ungeklärten Staatsangehörigkeit stehen können, sind vielfältig und können beispielsweise völkerrechtliche Fragen ebenso betreffen wie Fragen der Unzumutbarkeit sowie fehlender Mitwirkungsbereitschaft auf Seiten von Betroffenen oder möglicher Herkunftsstaaten. Der Bundesregierung liegen zu den jeweiligen Gründen keine belastbaren statistischen Erkenntnisse vor.
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267074
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25,629 |
f) Bei wie vielen Personen mit früherem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im ehemaligen Jugoslawien, der ehemaligen Sowjetunion, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Serbien und Montenegro sowie kurdischer oder palästinensischer Volkszugehörigkeit gilt die Staatsangehörigkeit als ungeklärt (bitte Alter, Geburtsort und Geburtsland, Aufenthaltsstatus, Aufenthaltsdauer und Bundesland angeben, gegebenenfalls zumindest Einschätzungen hierzu nennen)?
g) Wie viele Personen des ehemaligen Jugoslawiens, der ehemaligen Sowjetunion, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Serbien und Montenegro und solche kurdischer oder palästinensischer Volkszugehörigkeit sind anerkannt staatenlos (bitte Alter, Geburtsort und Geburtsland, Aufenthaltsstatus, Aufenthaltsdauer und Bundesland angeben, gegebenenfalls zumindest Einschätzungen hierzu nennen)?
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Die Fragen 1f und 1g werden gemeinsam beantwortet.
Der Bundesregierung liegen hierzu jeweils keine belastbaren Erkenntnisse vor. Deshalb sind auch keine Einschätzungen möglich.
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267074
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25,630 |
h) Aus welchen Daten des Ausländerzentralregisters oder anderer Dateien oder Statistiken lassen sich nach Kenntnis der Bundesregierung nähere Informationen oder Einschätzungen zur Situation und Herkunft von staatenlosen Personen bzw. Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ableiten, und welche Erkenntnisse ergeben sich gegebenenfalls daraus (bitte so differenziert wie möglich darlegen und ausführen)?
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Der Bundesregierung sind keine Daten, Dateien oder Statistiken im Sinne der Fragestellung bekannt.
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267074
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25,631 |
i) Wie viele in Deutschland geborene Personen sind anerkannt staatenlos (bitte Alter, Aufenthaltsstatus, Aufenthaltsdauer und Bundesland angeben, gegebenenfalls zumindest Einschätzungen hierzu nennen)?
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Im Sinne der Fragestellung wurden aus den Daten des AZR Personen ermittelt, deren dort erfasstes Datum der Ersteinreise mit dem Datum ihrer Geburt übereinstimmt. Aufgrund der unterschiedlichen Methodik der Datenermittlung können die nachfolgenden Angaben von der Antwort zu Frage 1a abweichen.
Alter Anzahl Personen
unter 18 Jahren 2.797
18 Jahre und älter 2.124
Gesamt 4.921
Aufenthaltsstatus Anzahl Personen
Niederlassungserlaubnis 813
Aufenthaltserlaubnis 2.705
Aufenthaltsgestattung 39
Duldung 147
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt)
888
kein Aufenthaltsrecht 329
Gesamt 4.921
Aufenthaltsdauer seit der letzten Einreise Anzahl Personen
unter 5 Jahren 1.590
5 Jahre und länger 3.331
Gesamt 4.921
Land Anzahl Personen
Baden-Württemberg 444
Bayern 642
Berlin 272
Brandenburg 88
Bremen 110
Hamburg 98
Hessen 539
Mecklenburg-Vorpommern 38
Niedersachsen 618
Nordrhein-Westfalen 1.407
Rheinland-Pfalz 255
Saarland 41
Sachsen 104
Land Anzahl Personen
Sachsen-Anhalt 52
Schleswig-Holstein 129
Thüringen 84
Gesamt 4.921
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267074
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25,632 |
j) Wie viele in Deutschland geborene Personen haben eine ungeklärte Staatsangehörigkeit (bitte Alter, Aufenthaltsstatus, Aufenthaltsdauer und Bundesland angeben, gegebenenfalls zumindest Einschätzungen hierzu nennen)?
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Im Sinne der Fragestellung wurden aus den Daten des AZR Personen ermittelt, deren dort erfasstes Datum der Ersteinreise mit dem Datum ihrer Geburt übereinstimmt. Aufgrund der unterschiedlichen Methodik der Datenermittlung können die nachfolgenden Angaben von der Antwort zu Frage 1b abweichen.
Alter Anzahl Personen
unter 18 Jahren 26.822
18 Jahre und älter 4.526
Gesamt 31.348
Aufenthaltsstatus Anzahl Personen
Niederlassungserlaubnis 1.245
Aufenthaltserlaubnis 12.561
Aufenthaltsgestattung 729
Duldung 2.154
Sonstiges (z. B. Ankunftsnachweis, Antrag auf Titel gestellt...)
11.132
kein Aufenthaltsrecht 3.527
Gesamt 31.348
Aufenthaltsdauer seit der letzten Einreise Anzahl Personen
unter 5 Jahren 19.091
5 Jahre und länger 12.257
Gesamt 31.348
Land Anzahl Personen
Baden-Württemberg 8.361
Bayern 1.204
Berlin 4.799
Brandenburg 426
Bremen 291
Hamburg 409
Hessen 1.570
Mecklenburg-Vorpommern 208
Niedersachsen 2.495
Nordrhein-Westfalen 7.613
Rheinland-Pfalz 720
Saarland 238
Sachsen 1.029
Sachsen-Anhalt 259
Schleswig-Holstein 1.239
Land Anzahl Personen
Thüringen 487
Gesamt 31.348
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267074
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25,633 |
2. Welches Verfahren stellt nach Kenntnis der Bundesregierung sicher, dass alle in Deutschland geborenen staatenlosen Kinder identifiziert werden und dass ihr Recht auf Einbürgerung bzw. Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit geprüft wird (vgl. Artikel 1 des Übereinkommens zur Vermeidung der Staatenlosigkeit von 1961)?
a) Wie setzt Deutschland das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit aus dem Jahr 1961, insbesondere in Bezug auf das Recht nach Artikel 1 von in Vertragsstaaten geborenen und ansonsten staatenlosen Kindern auf Verleihung der Staatsangehörigkeit des Geburts- bzw. Vertragsstaats, rechtlich und praktisch um (bitte ausführen)?
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Die Fragen 2 und 2a werden gemeinsam beantwortet.
Die Bundesrepublik Deutschland hat das UN-Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 im nationalen Staatsangehörigkeitsrecht umgesetzt.
Ein Kind, das in Deutschland geboren wird, kann die deutsche Staatsangehörigkeit a) bei Geburt kraft Gesetzes oder b) auf Antrag im Wege der Einbürgerung erwerben (vgl. Artikel 1 Absatz 1 des UN-Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit).
a) Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bei Geburt kraft Gesetzes
Ein Kind ausländischer oder staatenloser Eltern erwirbt durch Geburt in Deutschland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt (§ 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes – StAG).
b) Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung
Liegen die unter a) genannten Voraussetzungen nicht vor, kann das Kind auf Antrag in Deutschland eingebürgert werden.
Gemäß Artikel 2 des Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit ist ein seit der Geburt Staatenloser auf seinen Antrag einzubürgern, wenn er
1. im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder an Bord eines Schiffes, das berechtigt ist, die Bundesflagge der Bundesrepublik Deutschland zu führen, oder in einem Luftfahrzeug, das das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland führt, geboren ist,
2. seit fünf Jahren rechtmäßig seinen dauernden Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat und
3. den Antrag vor der Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres stellt, es sei denn, dass er rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von fünf Jahren oder mehr verurteilt worden ist. Für das Verfahren bei der Einbürgerung einschließlich der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gelten die Vorschriften des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts. (vgl. auch Artikel 1 Absatz 2 des UN-Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit).
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25,634 |
b) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte, wonach Kinder von Eltern, die Schwierigkeiten haben, ihre Identität und Staatsangehörigkeit mit einem Nationalpass nachzuweisen, oft keine Geburtsurkunde, sondern lediglich einen Auszug aus dem Geburtenregister vom Standesamt erhalten (www.ggua.de/fileadmin/downloads/Neugeborene/2021_Papier e_von_Anfang_an.pdf)?
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Mit der Anzeige der Geburt beim Standesamt sind die in § 33 der Personenstandsverordnung (PStV) – nicht abschließend – aufgezählten Nachweise über die Geburt und die Identität der Eltern vorzulegen, wodurch die Überprüfung der Abstammung des Kindes und die Namensbestimmung ermöglicht werden soll. Wenn keine geeigneten Nachweise vorgelegt werden, ist den Eltern ein beglaubigter Registerausdruck aus dem Geburtenregister auszustellen, dem aber als Personenstandsurkunde dieselbe Beweiswirkung zukommt, wie den Beurkundungen in den Personenstandsregistern oder den übrigen Personenstandsurkunden. Das Recht auf Eintragung in ein Geburtenregister nach Artikel 7 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention ist mit dem deutschen Personenstandsrecht gewährt. Es sind insofern keine Änderungen angezeigt.
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267074
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25,635 |
c) Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung diesbezüglich im Hinblick auf die Verminderung von Staatenlosigkeit, weil Staatenlose Schwierigkeiten haben können, ihre Identität nachzuweisen?
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Seitens der Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang derzeit kein Handlungsbedarf gesehen.
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25,636 |
d) Wie wirkt sich nach Auffassung der Bundesregierung Staatenlosigkeit oder ungeklärte Staatsangehörigkeit auf den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Bildung und Bildungsangeboten aus (z. B. bei Sprachreisen, Fortbildungen, Stipendien)?
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Für den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Bildung und Bildungsangeboten sind die Länder zuständig. Die Bildungsintegration von Personen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte unterstützt die Bundesregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeiten mit zahlreichen Maßnahmen. Zu möglichen Besonderheiten der Teilgruppe der Kinder und Jugendlichen ohne oder mit ungeklärter Staatsangehörigkeit hinsichtlich ihres Zugangs zu Bildung liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
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25,637 |
3. Welche Hürden gibt es bei der Einbürgerung von Staatenlosen nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte ausführen)?
a) Wie können diese Hürden ihrer Auffassung nach gegebenenfalls abgebaut werden, vor dem Hintergrund der Verpflichtung nach Artikel 32 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 zur Erleichterung der Einbürgerung Staatenloser?
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Die Fragen 3 und 3a werden gemeinsam beantwortet.
Die Einbürgerungsvoraussetzungen nach §§ 8 bis 10 StAG gelten für alle Einbürgerungsbewerber.
Ein Staatenloser kann die deutsche Staatsangehörigkeit auf Antrag im Wege der Einbürgerung unter erleichterten Voraussetzungen erwerben (Artikel 32 des UN-Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen).
Liegen die Voraussetzungen für einen Einbürgerungsanspruch nach Artikel 2 des Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit nicht vor, kann ein Staatenloser auf der Grundlage des § 8 StAG nach Ermessen bereits nach einem
rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland von sechs statt sonst acht Jahren (siehe Nummer 8.1.3.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) zum Staatsangehörigkeitsgesetz vom 1. Juni 2015 – VAH-StAG) eingebürgert werden, wenn er die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt.
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25,638 |
b) Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung in der Praxis die Vorgabe des genannten Artikels umgesetzt, Einbürgerungsverfahren bei Staatenlosen zu beschleunigen und deren Kosten so weit wie möglich herabzusetzen (bitte ausführen)?
Falls die Bundesregierung hierzu keine Kenntnis haben sollte, wird sie gegebenenfalls versuchen, sich solche Kenntnisse zu verschaffen, um überprüfen und gegebenenfalls sicherstellen zu können, dass die von Deutschland eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen in der Praxis umgesetzt werden (bitte ausführen)?
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In den VAH-StAG ist unter Nummer 8.1.3.1 festgelegt, dass die Einbürgerung Staatenloser entsprechend Artikel 32 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen erleichtert und das Verfahren beschleunigt werden soll. Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Urkunden sollen berücksichtigt werden. Bei Staatenlosen wird im Rahmen von § 8 StAG eine Aufenthaltsdauer von sechs Jahren als ausreichend angesehen.
Gemäß § 38 Absatz 4 StAG kann Einbürgerungsbewerbern aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses Gebührenermäßigung oder -befreiung gewährt werden.
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25,639 |
c) Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung Kriterien, nach denen objektiv beurteilt werden kann, wann die Grenzen der Mitwirkungspflicht gemäß § 37 StAG i. V. m. § 82 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes erreicht sind (bitte ausführen)?
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren (vgl. auch Antwort zu den Fragen 4 bis 4g) trifft die Einbürgerungsbehörde primär eine Hinweis- und Anstoßpflicht, während der Einbürgerungsbewerber gemäß § 37 Absatz 1 Satz 2 StAG in Verbindung mit § 82 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes im Hinblick auf die Klärung seiner Identität einer umfassenden, bis zur Grenze der objektiven Möglichkeit und subjektiven Zumutbarkeit reichenden Initiativ- und Mitwirkungsobliegenheit unterliegt. Er ist gehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen, um seine Identität nachzuweisen, und alles ihm Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um die hierfür erforderlichen Beweismittel beizubringen (BVerwG, Urteil vom 23. September 2020, 1 C 36.19, Rn. 21).
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267074
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25,640 |
d) Welche Vorgaben oder Anwendungshinweise der Bundesregierung (etwa des Bundesministeriums des Innern und für Heimat oder auch des Auswärtigen Amts) oder ihr unterstehender Bundesbehörden (etwa des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge) gibt es zur Frage der Zumutbarkeit von Mitwirkungshandlungen zur Klärung der Identität bzw. Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit, insbesondere auch konkret bezogen auf die Situation von Staatenlosen im Kontext der Einbürgerung (bitte ausführen), und falls es diese nicht geben sollte, warum nicht (bitte begründen)?
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Das BMI hat eine Handlungsempfehlung zur Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren vom 20. Juni 2019 sowie Handlungshinweise zur Identitätsklärung als Voraussetzung einer Niederlassungserlaubnis vom 12. August 2021 erstellt. Die Hinweise zur Identitätsklärung beziehen sich im Wesentlichen auf
die Inhalte des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2020 (Az. 1 C 36/19).
Im Asylverfahren sind Staatsangehörigkeit und Identität grundsätzlich durch die Vorlage geeigneter echter Dokumente nachzuweisen. Die Vorlage der Unterlagen gehört gemäß § 15 des Asylgesetzes (AsylG) zu den Mitwirkungspflichten der Antragsteller. Soweit keine die Staatsangehörigkeit und Identität nachweisenden Personaldokumente vorgelegt werden, stehen unter anderem verschiedene IT-Tools zur Verfügung (insbesondere Auslesen von mobilen Datenträgern, Sprachbiometrie, Bildbiometrie, Namenstranskription), durch welche Hinweise und Indizien gewonnen werden können, die zur Klärung der Identität beitragen sollen und im Rahmen der Prüfung der Glaubhaftigkeit berücksichtigt werden können. Die Zumutbarkeit einer jeweiligen Mitwirkungshandlung richtet sich nach den individuellen Umständen des Einzelfalls.
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267074
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25,641 |
e) Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass von Staatenlosigkeit betroffene Personen durch die Ausländerbehörden zum Teil nur mündliche Anweisungen bekommen, wie ihre Mitwirkungspflicht zur Klärung ihrer Staatenlosigkeit zu erfüllen ist, und dass entsprechende Anforderungen mitunter unzumutbar sein sollen, und wie sollte ein solches Verfahren zur Klärung der Staatenlosigkeit nach Auffassung der Bundesregierung verlaufen und konkret ausgestaltet sein (bitte ausführen)?
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Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.
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25,642 |
4. Welche Hürden gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Einbürgerung von Menschen mit „ungeklärter Staatsangehörigkeit“ oder „ohne Angabe“ zur Staatsangehörigkeit (bitte ausführen)?
a) Ist es nach Auffassung der Bundesregierung sachlich angemessen, dass die Voraussetzung der „geklärten Identität und Staatsangehörigkeit“ im Jahr 2019 ausdrücklich in das Staatsangehörigkeitsrecht aufgenommen wurde, ohne diesbezüglich eine Ausnahme- oder Härtefallregelung für die Einbürgerung von Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit vorzusehen, insbesondere wenn Betroffene nachweisen, dass sie alles Zumutbare zur Aufklärung der Identität und Staatsangehörigkeit unternommen haben (bitte begründen)?
b) Befürwortet die Bundesregierung gegebenenfalls die Aufnahme einer solchen Härtefallregelung oder andere gesetzliche Änderungen in diesem Zusammenhang, um der besonderen Situation von Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit gerecht werden zu können, insbesondere, wenn diese Situation nicht von ihnen zu verantworten ist (bitte begründen)?
c) Befürwortet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang insbesondere die Möglichkeit, eine eidesstattliche Versicherung der Betroffenen, keine Staatsangehörigkeit zu besitzen, als Beweismittel zuzulassen (bitte begründen)?
d) Ist es für eine Einbürgerung nach Auffassung der Bundesregierung zwingend erforderlich, dass eine ungeklärte Staatsangehörigkeit geklärt wird, insbesondere bei in Deutschland geborenen Menschen, die seit der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und somit zeit ihres Lebens der Kontrolle und Aufsicht deutscher Behörden und Meldestellen unterlagen und die über keine anderen als deutsche behördliche Unterlagen, Dokumente und Nachweise zu ihrem bisherigen Leben verfügen (Geburt, Bildungsweg, Aufenthaltsstatus usw.; bitte ausführen)?
e) Unter welchen Voraussetzungen sollte nach Auffassung der Bundesregierung vom Erfordernis geklärter Staatsangehörigkeit in Einbürgerungsverfahren abgesehen werden?
f) Ist es nach Einschätzung der Bundesregierung den Betroffenen immer möglich, eine ungeklärte Staatsangehörigkeit aufzuklären, und wie soll gegebenenfalls mit Personen umgegangen werden, denen dies objektiv unmöglich oder unzumutbar ist, insbesondere wenn sie die mitunter komplexen Gründe für ihre ungeklärte Staatsangehörigkeit nicht zu verantworten haben (bitte ausführen, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung, etwa des Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 23. September 2020, 1 C 36.19, Urteil vom 11. Oktober 2022, 1 C 9.21, und des Verwaltungsgerichts Mainz, Urteil vom 25. März 2022, 4 K 476/21.MZ)?
g) Wie können nach Auffassung der Bundesregierung Einbürgerungshürden bei Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit abgebaut werden, mit dem Ziel, Einbürgerungen zu ermöglichen und die Vererbung von (faktischer) Staatenlosigkeit an die nächste Generation zu verhindern, ohne dabei die Sorgfaltspflicht der Einbürgerungsbehörden zu vernachlässigen (bitte ausführen)?
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Die Fragen 4 bis 4g werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Die geklärte Identität ist zwingende Einbürgerungsvoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011, 5 C 27.10, juris Rn. 11f), da sie Grundlage für die Prüfung weiterer Einbürgerungsvoraussetzungen ist. Nur wenn Gewissheit besteht, dass der Einbürgerungsbewerber die Person ist, für die er sich ausgibt, kann auch geprüft werden, ob er wegen einer Straftat verurteilt wurde (§ 10 Absatz 1 Nummer 5 StAG) oder ob tatsächliche Anhaltspunkte für die Verfolgung verfassungsfeindlicher oder extremistischer Bestrebungen bestehen oder ob ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 11 StAG besteht (BVerwG, Urteil vom 23. September 2020, 1 C 36.19, Rn. 14; BVerwG, Urteil vom 1. September 2011, 5 C 27/10, Rn. 12).
Die geklärte Staatsangehörigkeit ist nicht nur unverzichtbarer Teil der in § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 StAG vorgesehenen Statusprüfung, sondern Identität und Staatsangehörigkeit beeinflussen einander wechselseitig.
Die identitätsbildenden Kriterien wie etwa der Name unterliegen grundsätzlich dem Recht des Staates, dem der Betroffene angehört (vgl. zur Namensführung Artikel 10 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche – EGBGB; s. a. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. Dezember 2021, 5 A 692/21.Z, juris Rn. 6).
Bei Staatenlosen und Personen, deren Staatsangehörigkeit nicht feststellbar ist, tritt aber anstelle des Heimatstaatsrechts das Recht des Staates, in dem diese Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Artikel 5 Absatz 2 EGBGB).
Die Rechtslage hat sich seit der ausdrücklichen Aufnahme der geklärten Identität und Staatsangehörigkeit als Einbürgerungsvoraussetzung ins StAG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (BGBl. I 2019, S. 1124) nicht geändert.
Das Merkmal der Identitätsklärung dient gewichtigen sicherheitsrechtlichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland und ist Ausgangspunkt für die Prüfung weiterer Einbürgerungsvoraussetzungen.
Die sicherheitsrechtlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das grundrechtlich geschützte Recht des Einbürgerungsbewerbers, eine Klärung seiner Identität bewirken zu können, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer gestuften Prüfung einem angemesse-
nen Ausgleich zuzuführen (Urteil des BVerwG vom 23. September 2020, Az.: 1 C 36.19.).
Das vom Bundesverwaltungsgericht dazu entwickelte Stufenmodell stellt sicher, dass die öffentlichen Interessen und die Interessen der sich in Beweisnot befindlicher Personen einem angemessenen Ausgleich zugeführt werden und den Betroffenen eine realistische Chance verbleibt, ihre Identität und Staatsangehörigkeit nachzuweisen (s. BVerwG,1 C 36.19, Rn. 15, 29).
Auch bei Staatenlosigkeit ist die Staatsangehörigkeit im Sinne von § 10 Absatz 1 Satz 1 StAG geklärt. Staatenlos ist eine Person, die kein Staat nach seinem innerstaatlichen Recht als Staatsangehörigen ansieht (Nummer 8.1.3.1 VAH-StAG).
Den Nachweis seiner Identität hat der Einbürgerungsbewerber zuvörderst und in der Regel durch die Vorlage eines Passes, hilfsweise auch eines anerkannten Passersatzes oder eines anderen amtlichen Identitätsdokuments mit Lichtbild aus dem Herkunftsstaat, zu führen (Stufe 1).
Da Staatenlose kein amtliches Identitätsdokument des Herkunftsstaates, wie einen Nationalpass vorlegen können, kann ihre Staatenlosigkeit auf der nächsten Stufe auch mit anderen geeigneten amtlichen Urkunden aus dem Herkunftsstaat nachgewiesen werden (Stufe 2).
Die Staatenlosigkeit weist der Einbürgerungsbewerber in der Regel durch den Besitz eines Reiseausweises für Staatenlose nach (vgl. Nummer 8.1.3.1. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13. Dezember 2000). Auch wenn er belegt, dass keiner der Staaten, als dessen Angehöriger er in Betracht kommt, ihn als Staatsangehörigen anerkennt, ist seine Staatenlosigkeit geklärt.
Ist er auch nicht im Besitz solcher amtlichen Dokumente oder ist ihm deren Erlangung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, kann er sich sonstiger Beweismittel nach § 26 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) bedienen, insbesondere nichtamtlicher Urkunden und Zeugenaussagen (Stufe 3). Eine Versicherung an Eides Statt nach § 27 Absatz 1 Satz 1 des VwVfG ist im Einbürgerungsverfahren gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2020, 1 C 36.19, Rn. 19).
Ist auch die Beschaffung sonstiger Beweismittel dem Einbürgerungsbewerber objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, kann die Identität und Staatsangehörigkeit ausnahmsweise auf der letzten Stufe allein auf der Grundlage seines Vorbringens als nachgewiesen anzusehen sein, sofern die Angaben auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls zur Überzeugung der Einbürgerungsbehörde feststehen (Stufe 4).
Hat der Einbürgerungsbewerber in den jeweiligen Stufen alles ihm Zumutbare und Mögliche getan, um seine Identität und Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit zu klären und sind die Angaben im Rahmen einer Gesamtwürdigung stimmig, so kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Identität und Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit in der letzten Stufe zur Überzeugung der Einbürgerungsbehörde allein aufgrund des eigenen Vorbringens feststehen.
Mit diesem Stufenmodell ist es auch ohne gesetzliche Ausnahme- oder Härtefallregelung möglich, in der Praxis Lösungswege für problematische Fälle zu finden.
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25,643 |
5. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland Staatenlosigkeit festgestellt, welche Regelungen gibt es dazu auf Bundes- bzw. Länderebene (bitte ausführen)?
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Gemäß Artikel 1 Nummer 1 des Übereinkommens über die Rechtsstellung von Staatenlosen vom 28. September 1954 ist ein „Staatenloser“ eine Person, die kein Staat auf Grund seines Rechts als Staatsangehörigen ansieht. Für Staatenlose ist gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 2b) AsylG für die Prüfung des Anspruchs auf Asyl- und internationalen Schutz das Land als Herkunftsland anzusehen, in dem Schutzsuchende als Staatenlose ihren vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatten und in das sie nicht zurückkehren können oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren wollen. Aufgrund der besonderen Rechtsstellung, die Staatenlose haben, ist im Asylverfahren von Staatenlosigkeit nur dann auszugehen, wenn diese durch entsprechende Dokumente nachgewiesen werden kann. Nach dem Übereinkommen über die Rechtsstellung von Staatenlosen vom 28. September 1954 muss die Staatenlosigkeit von einem der Unterzeichnerstaaten des Abkommens bescheinigt werden. Im Asylverfahren kommen als Nachweis für die Staatenlosigkeit nur die gemäß Artikel 27 und 28 des Übereinkommens ausgestellten Dokumente (Personalausweis, Reiseausweis) oder eine entsprechende Feststellung einer deutschen Ausländerbehörde in Betracht.
Ein eigenständiges Verfahren zur Feststellung der Staatenlosigkeit ist gesetzlich nicht vorgesehen. In Deutschland sind die Ausländerbehörden für die Ausstellung der genannten Dokumente zuständig.
Der reine Sachvortrag staatenlos zu sein, oder die Vorlage anderer als der geforderten Dokumente reichen nicht, um vom Vorliegen einer Staatenlosigkeit ausgehen zu können. In den Fällen, in denen die Staatenlosigkeit vom Antragsteller nicht belegt werden kann, wird im Hinblick auf die Verfahrensbeschleunigung (auch im Sinne der Antragstellenden) davon abgesehen, die Ausländerbehörde im Rahmen des laufenden Verwaltungsverfahrens um Klärung der Staatenlosigkeit zu bitten. Die Klärung bleibt dem ausländerrechtlichen Verfahren vorbehalten, das sich im Regelfall an das Asylverfahren anschließt. Solange die Staatenlosigkeit nicht in der erforderlichen Weise nachgewiesen ist und im Rahmen der Aufklärung des Sachverhalts keine konkrete Staatsangehörigkeit festgestellt werden kann, ist im Asylverfahren von einer „ungeklärten“ Staatsangehörigkeit auszugehen.
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25,644 |
6. Bestehen in den Bundesländern bzw. Kommunen nach Kenntnis der Bundesregierung einheitliche Feststellungsverfahren, und wenn nein, warum nicht (bitte ausführen und begründen)?
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Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.
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25,645 |
7. Befürwortet die Bundesregierung die Einführung eines geregelten, einheitlichen Verfahrens zur Feststellung von Staatenlosigkeit, um Mitarbeitende in den zuständigen Behörden in ihrer Arbeit zu entlasten und Staatenlosen Rechtsklarheit und einen klaren Zugang zu ihren Rechten zu verschaffen (wenn nein, bitte begründen)?
Wenn ja, wird die Bundesregierung die Einführung eines einheitlichen Verfahrens gegebenenfalls anregen bzw. vorantreiben, durch entsprechende Bund-Länder-Vereinbarungen oder durch Vorschläge für die gesetzliche Regelung eines bundeseinheitlichen Verfahrens, etwa in Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, wobei nach Auffassung der Fragestellenden an Verfahren, wie sie z. B. in Frankreich seit Jahren etabliert und gesetzlich geregelt sind, angeknüpft werden könnte (vgl. www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain/opendocpdf.pdf ?reldoc=y&docid=589083744, S. 9 f.; bitte ausführen und begründen), und wenn nein, warum nicht?
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Die Klärung der Identität sowie der Staatsangehörigkeit ist grundsätzlich von hoher Bedeutung. Werden keine Dokumente oder Unterlagen vorgelegt, sind die Angaben zur Person zu überprüfen. Dieser Prüfprozess ist zwar mit einem hohen Aufwand verbunden, gegenüber dem Zweck ist er jedoch als verhältnismäßig zu bewerten. Hierbei können im gesamten Prüfzeitraum Erkenntnisse zur Person und zur Staatsangehörigkeit gewonnen werden. Aus Sicht der Bundesregierung ist dieses Verfahren ausreichend.
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25,646 |
8. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass der durch eine Behörde bereits festgestellte Status der Staatenlosigkeit mitunter durch ein neues Verfahren bzw. eine andere Behörde infrage gestellt und in die Feststellung einer „ungeklärten Staatsangehörigkeit“ umgewandelt wird (siehe Vorbemerkung der Fragesteller), und wie bewertet die Bundesregierung eine solche uneinheitliche und für die Betroffenen nicht berechenbare Verfahrensweise gegebenenfalls (bitte ausführen)?
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Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.
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25,647 |
9. Kann die Frage, ob Staatenlosigkeit vorliegt, in Deutschland immer abschließend festgestellt werden, und wenn ja, wie erfolgt dies (bitte ausführen), und wenn nein, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus im Hinblick auf die Rechtssicherheit Staatenloser?
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Die Feststellung der Staatenlosigkeit erfolgt durch die Ausländerbehörden. Die Staatenlosigkeit als solche stellt kein gegenüber der Ausländerbehörde feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar, da sich aus dieser nicht unmittelbar Rechte und Pflichten des Antragstellers und der Behörde ergeben. Vielmehr stellt sie allein ein Tatbestandsmerkmal für unterschiedliche, sich aus verschiedenen Rechtsnormen ergebende Rechtsbeziehungen dar.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 4 bis 4g verwiesen.
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10. Wie viele Reiseausweise für Ausländer und Reiseausweise für Staatenlose (bitte differenzieren) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2015 an anerkannt Staatenlose bzw. Menschen mit einer ungeklärten Staatsangehörigkeit (oder „ohne Angabe“ zur Staatsangehörigkeit; bitte differenzieren) ausgestellt (bitte die jeweiligen Gesamtzahlen der jeweiligen Reiseausweise für jede Personengruppe nach Jahren auflisten), wie viele Personen verfügten zuletzt über solche Reiseausweise (bitte auch nach Bundesländern differenzieren), und welche Angaben zu den Herkunftsländern können gemacht werden (bitte ausführen)?
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Da Angaben zu Passersatzdokumenten nach § 4 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) im AZR den Löschfristen des AZR-Gesetzes und der AZRG-Durchführungsverordnung unterliegen, und in der Regel mit der Ausstellung von einem neuen Reiseausweis die Angaben des vorhergehenden Dokumentes aus dem AZR von der Ausländerbehörde gelöscht werden, kann aus den Daten des AZR nicht ermittelt werden, wann ein Reiseausweis zum ersten Mal ausgestellt wurde. Daher bezieht sich das Erteilungsjahr auf die Erteilung des aktuellsten Reiseausweises. Belastbare Angaben zum Herkunftsland lassen sich aus den Daten des AZR nicht ermitteln, eine Unterscheidung erfolgt daher allein anhand der Staatsangehörigkeiten.
Anzahl der Staatenlosen, denen ein Reiseausweis erteilt wurde.
Ausstellungsjahr
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV
Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV
Gesamt
2015 205 63 268
2016 229 129 358
2017 402 187 589
2018 461 175 636
2019 649 155 804
2020 1.227 153 1.380
2021 2.322 225 2.547
2022 2.735 294 3.029
2023 132 31 163
Gesamt 8.362 1.412 9.774
Anzahl der zum Stichtag 28. Februar 2023 aufhältigen Staatenlosen mit einem im AZR erfassten Reiseausweis.
Ausstellungsjahr
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV
Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV
Gesamt
2015 157 56 213
2016 171 122 293
2017 336 176 512
2018 372 165 537
2019 576 150 726
2020 1173 148 1.321
2021 2281 220 2.501
2022 2704 292 2.996
2023 130 31 161
Gesamt 7.900 1.360 9.260
Anzahl der aufhältigen anerkannten Staatenlosen mit einem Reiseausweis nach Ländern.
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV
Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV
Gesamt
Baden-Württemberg
871 99 970
Bayern 1.003 176 1.179
Berlin 474 97 571
Brandenburg 170 41 211
Bremen 124 20 144
Hamburg 145 10 155
Hessen 745 144 889
Mecklenburg-Vorpommern
34 19 53
Niedersachsen 1.197 157 1.354
Nordrhein-Westfalen
1.989 317 2.306
Rheinland-Pfalz 346 144 490
Saarland 50 14 64
Sachsen 291 40 331
Sachsen-Anhalt 107 26 133
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV Gesamt
Schleswig-Holstein 283 39 322
Thüringen 71 17 88
Summe 7.900 1.360 9.260
Anzahl der Personen mit einer ungeklärten Staatsangehörigkeit, denen ein Reiseausweis erteilt wurde.
Ausstellungsjahr
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV
Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV
Gesamt
2015 9 544 553
2016 25 1.079 1.104
2017 46 2.388 2.434
2018 59 1.556 1.615
2019 45 1.276 1.321
2020 125 1.944 2.069
2021 135 2.717 2.852
2022 172 3.499 3.671
2023 6 274 280
Gesamt 622 15.277 15.899
Anzahl der zum Stichtag 28. Februar 2023 aufhältigen Personen mit einer ungeklärten Staatsangehörigkeit und einem im AZR erfassten Reiseausweis.
Ausstellungsjahr
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV
Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV
Gesamt
2015 7 499 506
2016 20 1.003 1.023
2017 38 2.267 2.305
2018 57 1.467 1.524
2019 42 1.206 1.248
2020 120 1.894 2.014
2021 131 2.677 2.808
2022 165 3.475 3.640
2023 6 273 279
Gesamt 586 14.761 15.347
Anzahl der aufhältigen Personen mit einer ungeklärten Staatsangehörigkeit mit einem Reiseausweis nach Ländern.
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV
Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV
Gesamt
Baden-Württemberg
62 908 970
Bayern 71 382 453
Berlin 44 6.534 6.578
Brandenburg 12 254 266
Bremen 11 176 187
Hamburg 17 268 285
Hessen 46 467 513
Mecklenburg-Vorpommern
1 43 44
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV Gesamt
Niedersachsen 72 1.490 1.562
Nordrhein-Westfalen
153 2.746 2.899
Rheinland-Pfalz 31 295 326
Saarland 4 109 113
Sachsen 10 482 492
Sachsen-Anhalt 29 93 122
Schleswig-Holstein
18 424 442
Thüringen 5 90 95
Summe 586 14.761 15.347
Anzahl der Personen, denen ein Reiseausweis ohne Angabe einer Staatsangehörigkeitsbezeichnung erteilt wurde (Daten sind gleich mit der Anzahl der aktuell zum Stichtag 28. Februar 2023 aufhältigen Personen ohne Angabe einer Staatsangehörigkeitsbezeichnung mit einem Reiseausweis).
Ausstellungsjahr
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV
Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV
Gesamt
2015 1 2 3
2016 4 4
2017 4 4
2018 1 8 9
2019 10 10
2020 9 9
2021 1 11 12
2022 14 14
2023 1 1
Gesamt 3 63 66
Anzahl der aufhältigen Personen ohne Angabe einer Staatsangehörigkeitsbezeichnung im Reiseausweis nach Ländern.
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV
Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV
Gesamt
Baden-Württemberg Bayern 7 7
Berlin 1 3 4
Brandenburg 1 5 6
Bremen 1 2 3
Hamburg 2 2
Hessen 5 5
Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen 1 1
Nordrhein-Westfalen
16 16
Rheinland-Pfalz 8 8
Saarland Sachsen 2 2
Sachsen-Anhalt 1 1
Reiseausweis für Staatenlose nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthV Reiseausweis für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV Gesamt
Schleswig-Holstein
11 11
Thüringen Summe 3 63 66
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267074
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25,649 |
a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung gegebenenfalls dazu, wie viele Reiseausweise für Staatenlose im Rahmen des Rechtsanspruchs nach Artikel 28 Satz 1 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954 und wie viele im Ermessenswege ausgestellt wurden (bitte, soweit möglich, nach den oben genannten Differenzierungen auflisten, sonst bitte zumindest Einschätzungen geben)?
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Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.
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267074
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25,650 |
b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung gegebenenfalls dazu, unter welchen Umständen bzw. nach welchen Kriterien Staatenlosen bzw. Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit oder „ohne Angabe“ zur Staatsangehörigkeit ein Reisepass für Ausländer oder ein Reisepass für Staatenlose ausgestellt wird (bitte ausführen)?
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Die Ausstellung des Reiseausweises für Staatenlose (§ 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 AufenthV) richtet sich nach Artikel 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954 (BGBl. 1976 II S. 473), das am 24. Januar 1977 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist (BGBl. 1977 II S. 235). Die Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose setzt voraus, dass der Antragsteller staatenlos ist. Ob dies der Fall ist, hat die jeweils zuständige Ausländerbehörde zu prüfen.
Die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer (§ 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AufenthV) richtet sich nach den Voraussetzungen von § 5 Absatz 1 Auf- enthV. Die Zumutbarkeit der Beschaffung eines Passersatzes bei den zuständigen Behörden des Landes des gewöhnlichen Aufenthalts ist dabei im Einzelfall durch die Ausländerbehörde zu prüfen.
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267074
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25,651 |
c) Hat die Bundesregierung Kenntnisse dazu, dass bei Staatenlosen zum Teil unterschiedliche Staatsangehörigkeitscodes zu ihrer (fehlenden) Staatsangehörigkeit in ihren Reiseausweisen bzw. Aufenthaltspapieren verwandt werden (etwa: „XXX“, „XXA“ oder „- – -“), sodass es auch zu unterschiedlichen Eintragungen zu einer Person in unterschiedlichen Dokumenten kommen kann, und wie bewertet sie dies gegebenenfalls (bitte ausführen)?
Gibt es bundesweite Vorgaben oder Absprachen zur Verwendung von Staatsangehörigkeitscodes in ausländerrechtlichen oder anderen Dokumenten für Staatenlose bzw. auch für Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit (wenn ja, bitte ausführen, wenn nein, erwägt die Bundesregierung vereinheitlichende Vorgaben hierzu)?
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Das BMI hat mit Schreiben vom 18. Juni 2020 in Kenntnis dieser Thematik mit Bezug auf Staatsangehörigkeitscodes lediglich hinsichtlich verschiedener Fallgruppen von Personen mit palästinensischer Volkszugehörigkeit Hinweise an die Länder mit dem Ziel eines einheitlichen Vorgehens gegeben.
Analog zu diesen Hinweisen soll den genannten Fallgruppen (Staatenlose, Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit) grundsätzlich jeweils ein Staatsangehörigkeitscode zugewiesen werden. Einzig auf der Personendatenseite von
Reiseausweisen wird für beide Gruppen der identische Staatsangehörigkeitscode „---“ genutzt.
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25,652 |
11. Wie schätzt die Bundesregierung den Kenntnisstand und das Wissen der Mitarbeitenden in den Ausländerbehörden bzw. in den Einbürgerungsbehörden zum Thema Staatenlosigkeit und wie damit umzugehen ist ein?
a) Gibt es Treffen oder Austauschmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern, in denen Fragen, Herausforderungen und Lösungsansätze zum Thema Staatenlosigkeit besprochen werden (können)?
Wenn ja, welche, in welchem Turnus und gegebenenfalls mit welchen Ergebnissen, wenn nein, sieht die Bundesregierung einen Bedarf für einen solchen Austausch, und wird sie diesen gegebenenfalls initiieren (bitte begründen)?
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Die Fragen 11 und 11a werden gemeinsam beantwortet.
Das BMI hält regelmäßig Treffen mit den Ländern zum Austausch bezüglich aufenthaltsrechtlicher Fragestellungen ab. Die Ausländerreferentenbesprechung findet zweimal jährlich statt. In diesem Rahmen wurden und werden auch Fragen zum Thema Staatenlosigkeit besprochen.
In den jährlichen Sitzungen der Staatsangehörigkeitsrechtsreferentinnen und -referenten des Bundes und der Länder werden staatsangehörigkeitsrechtliche Themen besprochen; in den letzten zehn Jahren wurden Fragen zur Staatenlosigkeit nicht behandelt.
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25,653 |
b) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Fort- und Weiterbildungen oder Informationsveranstaltungen usw. auf Ebene der Bundesländer bzw. Kommunen, um den Wissensstand und die Expertise der Beschäftigten in den zuständigen Behörden zum Thema Staatenlosigkeit zu verbessern (bitte ausführen)?
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Die Bundesregierung hat im Bereich des Aufenthaltsrechts und des Staatsangehörigkeitsrechts keine Kenntnisse zu Fort- und Weiterbildungen oder Informationsveranstaltungen auf Länderebene speziell zur Staatenlosigkeit.
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25,654 |
c) Wie und wo können sich Staatenlose oder Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland beraten und zu ihren Rechten informieren lassen, behördlicherseits, aber gegebenenfalls auch durch nichtstaatliche Akteure (bitte ausführen)?
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Bezüglich aufenthaltsrechtlicher Fragestellung können die Betroffenen sich an die Ausländerbehörden wenden. In Einbürgerungsangelegenheiten können sich Einbürgerungsbewerber von der zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörde beraten lassen. Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse über mögliche nicht-staatliche Akteure, die in den Ländern Beratungen zu Fragen der ungeklärten Staatsangehörigkeit durchführen.
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25,656 |
Vorbemerkung der Fragesteller
Am 3. Februar 2023 ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser von Parteigremien ihres SPD-Landesverbandes Hessen als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober 2023 nominiert worden. Im Zuge dessen gab sie am 2. Februar 2023 mit gleichlautenden Beiträgen unter anderem auf dem Twitter-Account „@NancyFaeser“, auf dem Instagram-Account „@nancy_faeser“ und auf dem Facebook-Account „@NancyFaeser“ bekannt, dass die jeweiligen Social-Media-Accounts fortan „nicht mehr von meinem Ministerium betreut [werden]“, weil sie auf diesen Accounts künftig auch über ihre „Arbeit als SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen informieren“ wolle. In diesem Zusammenhang änderte sie – bei Beibehaltung ihrer zuvor veröffentlichten Beiträge und Fotos – ihre Profilbilder auf den jeweiligen Accounts und fügte der Amtsbezeichnung „Bundesministerin des Innern und für Heimat“ die Funktionsbezeichnung „Landesvorsitzende SPD Hessen“ hinzu. Zudem verweisen die Urheberangaben der jeweiligen Social-Media-Accounts seit diesem Zeitpunkt nicht mehr auf das Bundesinnenministerium als Behörde, sondern jeweils auf die Internetseite „nancy-faeser.de“, die in ihrem Impressum in den Angaben gemäß § 5 des Telemediengesetzes und in den Angaben gemäß § 18 Absatz 2 des Medienstaatsvertrags wiederum den SPD-Landesverband Hessen, Rheinstraße 22, 65185 Wiesbaden als Dienstanbieter ausweist (Abruf vom 25. März 2023).
Dieser gesamte Vorgang, der nach Auskunft der Bundesregierung auf eine Einzelfrage des Abgeordneten Philipp Amthor etwa im Hinblick auf den erwähnten Twitter-Account sogar ohne rechtliche Prüfaufträge veranlasst wurde (Bundestagsdrucksache 20/5694, S. 23), löst aus Sicht der Fragesteller einen offensichtlichen parlamentarischen Aufklärungsbedarf zu der Frage aus, ob die Bundesinnenministerin durch ihr Handeln unangemessen in den Parteienwettbewerb eingegriffen hat und ob die Sachlage hinsichtlich übertragener Rechte und geldwerter Vorteile auch parteienrechtlich problematisch ist. Dazu müssen einige Fakten erhoben werden, wozu diese Kleine Anfrage beitragen soll. Dabei erscheint es besonders problematisch, dass die Bundesinnenministerin trotz des in der juristischen Fachöffentlichkeit erhobenen Vorwurfs eines diesbezüglichen rechtswidrigen Fehlverhaltens der Bundesregierung (z. B.
Gastbeitrag von Dr. Christian Conrad auf „Legal Tribune Online“, Link: www.lto.de/persistent/a_id/50985/ – Abruf vom 25. März 2023) bisher gegenüber dem Parlament einen weiteren Aufklärungsbedarf weitgehend in Abrede stellt. So teilt die Fraktion der CDU/CSU insbesondere nicht die von der Bundesministerin des Innern und für Heimat geäußerte Wunschvorstellung, wonach „dazu alles gesagt und beantwortet [sei]“ (Plenarprotokoll 20/90, S. 10729).
1. Wer war aus Sicht der Bundesregierung im Zeitraum vom 18. Februar 2022 bis zum 2. Februar 2023 rechtlicher Inhaber der in der Vorbemerkung der Fragesteller bezeichneten Social-Media-Accounts, die in diesem Zeitraum von der Bundesregierung betreut wurden, und inwieweit hat sich die rechtliche Inhaberstellung im Hinblick auf diese Accounts im Februar 2023 verändert?
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Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat den Twitter-Account von Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser @Nancy-Faeser vom 18. Februar 2022 bis zum 2. Februar 2023 betreut. Es können keine Angaben für Zeiträume gemacht werden, in denen der Account nicht vom BMI betreut wurde.
Eine Definition für „rechtliche Inhaber“ von Social-Media-Accounts gibt es nicht.
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267075
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25,657 |
2. Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch, dass die Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser in der Fragestunde des Deutschen Bundestages auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Philipp Amthor ausführt, dass es sich bei dem übertragenen Twitter-Account um keinen dienstlichen, sondern aus ihrer Sicht um einen privaten Account handelt („Der Twitteraccount kam nicht aus dem Bundesinnenministerium, sondern das war mein privater, den ich übertragen habe.“; Plenarprotokoll 20/90, S. 10729), während ihre Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter zuvor auf die Schriftliche Frage 68 des Abgeordneten Matthias Hauer erklärt hat, dass es sich um einen dienstlichen Account handelt („Während der Betreuung von @Nancy-Faeser durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat wurde der Twitter-Account ausschließlich für amtliche Kommunikation genutzt und war somit dienstlich“; Bundestagsdrucksache 20/5615)?
Wer von den beiden Amtsträgerinnen hat das Parlament falsch informiert?
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Es gibt keinen Widerspruch in den Aussagen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.
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25,661 |
6. Warum hat sich das Bundesministerium des Innern und für Heimat dafür entschieden, neben den originären „Ministeriums-Accounts“ (Twitter: „@BMI_Bund“, Instagram: „bmi_bund“) zusätzlich auch noch die in der Vorbemerkung der Fragesteller bezeichneten Social-Media-Accounts durch die Bundesregierung betreuen zu lassen?
a) War diese Entscheidung eine Leitungsentscheidung durch die Bundesinnenministerin?
b) Wodurch begründet sich diese Abweichung von der Praxis früherer Legislaturperioden, in denen nach Kenntnis der Fragesteller keine vergleichbaren Accounts mit Namensnähe zu den jeweils amtierenden Bundesministerinnen bzw. Bundesministern betreut wurden?
c) Warum betreute das Bundesinnenministerium im Zeitraum vom 18. Februar 2022 bis zum 2. Februar 2023 auf Facebook den Account „@NancyFaeser“, während es – anders als etwa bei Twitter oder bei Instagram – auf diesem Netzwerk selbst über gar keinen eigenen originären „Ministeriums-Account“ verfügte?
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Die Fragen 6 bis 6c werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Soziale Medien sind zentraler Bestandteil der Alltagskommunikation und Information weiter Bevölkerungsteile. Die Bundesregierung sieht die Sozialen Medien deshalb als wichtige Säule ihrer Öffentlichkeitsarbeit an, mit der sie – wie verfassungsrechtlich geboten – Bürgerinnen und Bürger über die Tätigkeit, Vorhaben und Ziele der Bundesregierung informiert. Die Art und Weise der Umsetzung wird dabei immer an die zeitlichen Gegebenheiten angepasst.
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25,662 |
7. Wurden die in der Vorbemerkung der Fragesteller bezeichneten Social-Media-Accounts im Zeitraum der Betreuung durch die Bundesregierung vom 18. Februar 2022 bis zum 2. Februar 2023 mit einer dienstlichen E-Mail-Adresse des Bundesinnenministeriums oder mit einer privaten E-Mail-Adresse von Nancy Faeser für die Login-Daten verknüpft, wenn sie mit einer dienstlichen E Mail-Adresse verknüpft wurden, wie viele Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums verfügten jeweils über die Login-Daten?
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Während der Betreuung durch das BMI war der Login mit einer dienstlichen E-Mail-Adresse verknüpft. Zugriff hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des für Soziale Medien zuständigen Fachreferates.
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25,665 |
10. In welchem Umfang hatten auch externe Personen – etwa aus dem SPD-Parteiapparat – außerhalb des Bundesinnenministeriums während des Betreuungszeitraums durch die Bundesregierung einen Zugriff auf die in der Vorbemerkung der Fragesteller bezeichneten Social-Media-Accounts?
a) Wer war während des Betreuungszeitraums durch die Bundesregierung befugt, die Login-Daten dieser Social-Media-Accounts weiterzugeben?
b) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um ihre in diesem Zusammenhang „dienstlichen Accounts“ (Antwort auf die Schriftliche Frage 68 auf Bundestagsdrucksache 20/5615, S. 48) vor einem etwaigen Zugriff externer Personen außerhalb der Bundesregierung zu schützen?
c) Hat die Bundesregierung hinsichtlich ihrer Betreuung dieser Social-Media-Accounts mit etwaigen externen Dienstleistern (z. B. Werbeagenturen, Dienstleister für Social-Media-Marketing, Dienstleister für Community-Management) zusammengearbeitet, und wenn ja, zu welchen Kosten, und mit welchen Zugangsberechtigungen der Externen zu den jeweiligen Social-Media-Accounts?
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Die Fragen 10 bis 10c werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Es hatten ausschließlich Mitarbeitende des BMI Zugriff auf die Accounts. Niemand war berechtigt, Login-Daten weiterzugeben. Es hatte keine Agentur oder anderer Dienstleister Zugriff auf die Accounts.
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25,666 |
11. Wem stehen die Bildrechte an den Fotos und Videos zu, die für die in der Vorbemerkung der Fragesteller bezeichneten Social-Media-Accounts im Zeitraum vom 18. Februar 2022 bis zum 2. Februar 2023 während der Betreuung durch die Bundesregierung aufgenommen und dann dort veröffentlicht wurden?
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Die Bildrechte stehen noch immer dem ursprünglichen Rechteinhaber zu.
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267075
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25,667 |
12. Wie hoch beziffert die Bundesregierung den Geldwert der Foto- und Bildrechte für diejenigen Fotos und Videos, die sie im Zeitraum vom 18. Februar 2022 bis zum 2. Februar 2023 während der Betreuung der in der Vorbemerkung der Fragesteller bezeichneten Social-Media-Accounts in diese Accounts eingebracht hat?
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Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 68 des Abgeordneten Matthias Hauer auf Bundestagsdrucksache 20/5615 verwiesen. Auch der Einsatz der Bilder erfolgte nicht ausschließlich für Social-Media-Kanäle und kann nicht beziffert werden.
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267075
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25,668 |
13. Was hat die Bundesregierung unternommen, um diejenigen Bürger, die im Zeitraum vom 18. Februar 2022 bis zum 2. Februar 2023 an der aus der Sicht der Bundesregierung „amtlichen Kommunikation“ (Antwort auf die Schriftliche Frage 68 auf Bundestagsdrucksache 20/5615, S. 48) mit den in der Vorbemerkung der Fragesteller bezeichneten Social-Media-Accounts teilgenommen haben, vor Datenschutzverletzungen im Zuge des nunmehr erfolgten Betreuungsübergangs zu schützen, weil diese Bürger ja vermutlich zuvor nicht in eine Übertragung ihrer Daten an den SPD-Landesverband Hessen eingewilligt hatten?
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Die Bundesinnenministerin hat transparent auf allen Kanälen darüber informiert, dass diese nicht mehr durch das BMI betreut werden. Die Follower konnten somit frei entscheiden, ob sie den Kanälen weiterhin folgen möchten.
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25,669 |
a) Wurden in diesem Zusammenhang Kommunikationsdaten aus dem Zeitraum vom 18. Februar 2022 bis zum 2. Februar 2023 auf den jeweiligen Social-Media-Accounts gelöscht, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt, und in welchem Umfang?
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Nein.
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25,670 |
b) Wurden der Übertragungsvorgang der Social-Media-Accounts und die aufgeworfenen datenschutzrechtlichen Fragen dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) von der Bundesregierung zur Kenntnis gebracht, um Zweifelfragen auszuräumen, und wenn nein, warum nicht?
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Die Bundesregierung nimmt die Belange des Datenschutzes sehr ernst. Die Einschätzungen und Stellungnahmen der Datenschutzkonferenz (DSK) und des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) sind der Bundesregierung bekannt. Das Beratungsangebot des BfDI nimmt die Bundesregierung bei Bedarf in Anspruch. Zu Gesprächen der Bundesregierung mit dem BfDI nahm die Bundesregierung bereits verschiedentlich Stellung u. a. Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 20/2189.
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25,671 |
14. Hält es die Bundesregierung angesichts der kritischen öffentlichen Diskussion über den Übergang der in der Vorbemerkung der Fragesteller bezeichneten Social-Media-Accounts für politisch vertretbar, diese Accounts im Falle einer Wahlniederlage von Nancy Faeser bei der hessischen Landtagswahl zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf Kosten der Steuerzahler betreuen zu lassen, oder sollte ein solcher Fall nicht als vertrauensbildende Maßnahme schon im Voraus ausgeschlossen werden?
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Die Bundesregierung beantwortet grundsätzlich keine hypothetischen Fragen.
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25,672 |
Vorbemerkung der Fragesteller
Die Start-up-Strategie der Bunderegierung greift mit der Verbesserung der Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientierte Start-ups (Kapitel 6) (www.b mwk.de/Redaktion/DE/Dossier/Digitalisierung/start-up-strategie.html) das Thema „Social Businesses“ auf (www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/ start-up-strategie-2065830). Gemeinwohlorientierte Unternehmen zielen nicht wie konventionelle Unternehmen auf die Maximierung des unternehmerischen Gewinns ab, sondern möchten in erster Linie eine positive gesellschaftliche Wirkung erreichen (ebd.). Die Finanzierung gemeinwohlorientierter Unternehmen ist daher oft schwieriger als bei konventionellen Start-ups. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nimmt das zum Anlass, die Entwicklung passender Finanzierungsinstrumente unter besonderer Berücksichtigung des europäischen Strukturfonds zu entwickeln (ebd.).
Die Regierungskoalition kommt somit einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag nach, die wie folgt gefasst wurde: „Zu einer modernen Unternehmenskultur gehören auch neue Formen wie Sozialunternehmen oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen. Wir erarbeiten eine nationale Strategie für Sozialunternehmen, um gemeinwohlorientierte Unternehmen und soziale Innovationen stärker zu unterstützen. Wir verbessern die rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, wie zum Beispiel für Genossenschaften, Sozialunternehmen, Integrationsunternehmen. Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt. Hemmnisse beim Zugang zu Finanzierung und Förderung bauen wir ab. Wir werden die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, um Guthaben auf verwaisten Konten zur Förderung des Gemeinwohls nutzen zu können“ (Start-up-, Gründungs- und Innovationsförderung, www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812 /1f422c60505b6a88f8f3b3b5b8720bd4/2021-12-10-koav2021-data.pdf?down load=1; S. 30).
1. Hat sich die Bundesregierung eine Auffassung dazu erarbeitet, wie groß der Anteil an gemeinnützigen Unternehmen im Vergleich zu den wertschöpfenden Unternehmen sein soll, und wenn ja, wie groß ist dieser Anteil nach Auffassung der Bundesregierung?
2. Wenn Frage 1 bejaht wurde, gibt es seitens der Bundesregierung Vorstellungen darüber, wie groß der Anteil an gemeinnützigen Unternehmen im Vergleich zu wertschöpfenden Unternehmen am Ende der 20 Legislaturperiode in der Bundesrepublik Deutschland sein soll, und wenn ja, wie hoch soll der Anteil sein?
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Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet.
Darüber hat sich die Bundesregierung keine Auffassung erarbeitet.
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25,673 |
3. Benutzt die Bundesregierung eine eigene Arbeitsdefinition des Begriffes „gemeinwohlorientierte Unternehmen“, und wenn ja, welche, und wie bewertet die Bundesregierung dabei die anfallenden Gewinne der Unternehmen im Sinne des Gemeinwohls?
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In der Start-up-Strategie wird der Begriff des „gemeinwohlorientierten Unternehmens“ verwendet. Dieser bezieht sich dabei auf Unternehmen, die den Begriff des „Social Enterprise“ erfüllen, wie er in der Social Business Initiative der Europäischen Kommission (COM(2011) 682 final) darlegt ist. Darin werden drei Dimensionen festgeschrieben:
Das Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass:
gesellschaftliche Ziele, die dem Gemeinwohl dienen, der Grund für die unternehmerische Aktivität sind, die sich oft durch ein hohes Maß an Sozialer Innovation ausdrückten,
Gewinne mehrheitlich reinvestiert werden, um das gesellschaftliche Ziel zu erreichen,
die Eigentums- oder Organisationstruktur die Verfolgung des gesellschaftlichen Ziels absichert bzw. dazu beiträgt und dabei demokratischer oder partizipativer Prinzipien einsetzt.
Es wird keine Bewertung der gegebenenfalls erzielten Gewinne vorgenommen. Entscheidend ist, dass diese überwiegend für den verfolgten gesellschaftlichen Zweck reinvestiert werden und nicht frei ausgeschüttet werden.
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25,674 |
4. Benutzt die Bundesregierung eine eigene Arbeitsdefinition des Begriffes „gemeinwohlorientiertes Unternehmen“ vor dem Hintergrund einer liberalen und ethischen Marktwirtschaft, die nicht auf Gewinnstreben und Konkurrenz beruht, sondern auf Gemeinwohlstreben und Kooperation, wobei sich der Erfolg eines Unternehmens nicht am finanziellen Gewinn misst, sondern an seiner Gemeinwohlbilanz (wenn ja, bitte ausführen)?
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Nein, die oben dargestellte Definition bezieht sich nicht auf das Konzept der „Gemeinwohl-ökonomie“ und stellt dabei weder besonders auf eine liberale und ethische Marktwirtschaft in diesem Sinne, noch auf eine nicht näher definierte Gemeinwohlbilanz ab.
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25,675 |
5. Welche neuen Finanzierungsinstrumente möchte die Bundesregierung im Sinne der Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientierte Start-ups implementieren, und mit welchem konkreten Finanzrahmen rechnet dabei die Bundesregierung, und inwiefern werden dabei europäische Strukturfondsmittel eingebunden (www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/start-up-strategie-2065830, bitte aufschlüsseln)?
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Überlegungen zu etwaigen neuen Finanzierungsinstrumenten stehen noch am Anfang. Daher können zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiterführenden Angaben gemacht werden.
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25,676 |
6. Welche umfassenden strategischen Konzepte gemäß dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP (www.bundes regierung.de/re-source/blob/974430/1990812/1f422c60505b6a88f8f3b3b5 b8720bd4/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1; S. 30) wird die Bundesregierung für gemeinwohlorientierte Unternehmen entwickeln, planen, und wann ist mit einer diesbezüglichen Umsetzung zu rechnen (bitte aufschlüsseln)?
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Unter der gemeinsamen Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erarbeitet die Bundesregierung zurzeit eine Nationale Strategie für Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen. Eine Veröffentlichung ist für die zweite Hälfte des Jahres 2023 geplant, ihre Umsetzung wird im Anschluss beginnen.
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25,677 |
7. Aufgrund welcher Informationen und Unternehmensdaten kann die Bundesregierung gemeinwohlorientierte Unternehmen von konventionellen Unternehmen unterscheiden?
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Grundsätzlich ist eine Identifikation gemeinwohlorientierter Unternehmen anhand von reinen Unternehmensdaten nur schwer möglich. Eine Abgrenzung ergibt sich aus der Verfolgung des gesellschaftlichen Zieles, der Einschränkung in der Gewinnverwendung, sowie der Sicherung dieser Ziele. Diese Dinge müssen im jeweiligen Unternehmen institutionell verankert sein. Dies ist auf unterschiedliche Art und Weise möglich, z. B. durch Vermögensbindungen, Wahl einer gemeinnützigen Rechtsform o. Ä.
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25,678 |
8. Hat sich die Bundesregierung eine Auffassung dazu erarbeitet, wie mögliche Trittbrettfahrer, die unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit ihr gewinnmaximierendes Unternehmen durch die Inanspruchnahme der geschaffenen Rahmenbedingungen durch die Bundesregierung aufbauen könnten (www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/nationale-strategie-fuer-sozialunternehmen-und-social-startups.html), verhindert werden können (wenn ja, bitte ausführen)?
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Damit eine Körperschaft den Status der Gemeinnützigkeit erlangen kann, muss sie die Voraussetzungen der §§ 51 ff. der Abgabenordnung erfüllen. Es ist dafür nicht ausreichend, lediglich durch die Tätigkeit gemeinnützige Zwecke zu erfüllen. Insbesondere ist es gemeinnützigen Körperschaften auch verboten, Gewinne auszuschütten. Sie dürfen darüber hinaus ihre gesamten Mittel nach § 55 Absatz 1 Nummer 1 der Abgabenordnung lediglich für gemeinnützige Zwecke verwenden. Ein Verstoß gegen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben führt nach § 61 Absatz 3 der Abgabenordnung grundsätzlich zu einer Nachversteuerung der letzten zehn Jahre. Aus diesen Gründen bestehen derzeit keine Anrei-
ze, „unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit“ ein gewinnmaximierendes Unternehmen aufzubauen.
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25,679 |
9. Benutzt die Bundesregierung eine eigene Arbeitsdefinition des Begriffes „gemeinnütziges Unternehmen“, das sich aufgrund seines Geschäftsmodells nicht selbstständig trägt, jedoch nach Ansicht der Bundesregierung einen maßgeblichen Beitrag für unserer Land leistet (wenn ja, bitte ausführen)?
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Im Steuerrecht wird der Begriff der Gemeinnützigkeit in § 52 Absatz 1 der Abgabenordnung definiert. Danach verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. In § 52 Absatz 2 der Abgabenordnung werden die Zwecke genannt, die steuerlich als gemeinnützig anerkannt sind. Die Bundesregierung hat keine darüberhinausgehende Arbeitsdefinition im Sinne der Fragestellung.
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Vorbemerkung der Fragesteller
Jährlich vergibt die öffentliche Hand Aufträge an private Unternehmen in Milliardenhöhe. Vor dem Hintergrund der seit Jahren anhaltenden Erosion der Tarifbindung könnte die öffentliche Auftragsvergabe ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sein, um die Tarifbindung zu stärken. Zwar hat Deutschland 2016 im Rahmen der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien (Richtlinie 2014/24/EU) im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und in der Vergabeverordnung (VgV) die Möglichkeit zur Berücksichtigung sozialer Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe eröffnet, allerdings wurde dabei nicht davon Gebrauch gemacht, ein System der zwingenden Tariftreue im GWB zu verankern. Gleichzeitig hat eine veränderte Rechtsprechungspraxis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie die zuletzt novellierte EU-Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie (Richtlinie (EU) 2018/957) die Bedeutung von Tarifverträgen für die Absicherung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten betont. Die Möglichkeiten, Tariftreueregelungen bei der Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand auszuweiten, wurden somit deutlich erleichtert.
Einige Bundesländer haben deshalb in den vergangenen Jahren ihre Landesvergabegesetze angepasst und, etwa wie das Land Berlin oder das Saarland, Tariftreuebestimmungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe erlassen. Auf Bundesebene fehlt es bisher jedoch noch immer an einer entsprechenden gesetzlichen Tariftreueregelung für öffentliche Aufträge. Bisher müssen nichttarifgebundene Unternehmen tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes nur einhalten, soweit sie nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG), dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) oder dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) für allgemeinverbindlich erklärt wurden (vgl. § 128 Absatz 1 GWB).
Anknüpfend an die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zur „Tariftreue bei der öffentlichen Auftragsvergabe“ auf Bundestagsdrucksache 19/20209, interessieren sich die Fragestellenden für mögliche Ausgestaltungskriterien eines Bundestariftreuegesetzes sowie „Best-Practice-Ansätze“ bereits bestehender länderspezifischer Tariftreuebestimmungen.
1. Welches Bundesministerium übernimmt die Federführung bei einem Gesetzesvorhaben zur Bindung der Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung von Tarifverträgen (Bundes-Tariftreue), und welches Bundesministerium ist maßgeblich für die Ausgestaltung einer Tariftreueregelung zuständig?
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Die Erarbeitung eines Bundestariftreuegesetzes erfolgt in gemeinsamer Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
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2. Welche Bundesländer verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über vergabespezifische Mindestlöhne (bitte nach Höhe des Mindestlohns pro Stunde auflisten), und in welchen Bundesländern orientiert sich der vergabespezifische Mindestlohn an der Entgeltordnung des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L)?
3. Welche Bundesländer verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell über gesetzliche Landestariftreueregelungen (bitte jeweils nach den länderspezifischen Regelungen differenzieren, die eine Verpflichtung zur Entlohnung bei der öffentlichen Auftragsvergabe nach
a) einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG),
b) einem per Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), oder
c) einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) erlassenen Rechtsverordnung
vorsehen)?
4. Welche Bundesländer verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell über gesetzliche Bestimmungen, die über die in Frage 3 genannten Kriterien hinaus bei öffentlichen Auftragsvergaben explizit eine Verpflichtung zur Bezahlung nach den jeweils in der Region und Branche gültigen bzw. repräsentativen Tarifverträgen vorsehen, und wie viele Bundesländer planen aktuell eine diesbezügliche Regelung (bitte unter Nennung der entsprechenden Bundesländer angeben)?
5. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Schwellenwerte der jeweiligen in den Bundesländern anzuwendenden Tariftreueregelungen (bitte differenzieren) für die jeweilige Auftragsart (Baubereich, Dienstleistungen, Lieferbereich)?
7. Welche Bundesländer nehmen nach Kenntnis der Bundesregierung direkt Bezug (sogenannter Berliner Weg) bzw. indirekt Bezug (sogenannter Saarländischer Weg) auf die jeweils ortsüblichen repräsentativen Tarifverträge mittels Tarifregister bzw. die Übernahme zentraler Tarifregelungen durch eine Rechtsverordnung, und welche Bundesländer planen aktuell, das eine oder andere Modell in ihre Landestariftreueregelungen aufzunehmen?
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Die Fragen 2 bis 5 und 7 werden im Zusammenhang beantwortet.
Die Festlegung von Vergabe- und Tariftreueregelungen für die öffentlichen Vergaben der Bundesländer fallen in die Zuständigkeit der jeweiligen Bundesländer. Die Bundesregierung führt keine vergleichende Übersicht über sämtliche geltende landesrechtliche Vorschriften. Die Bundesregierung kann daher nur ihren aktuellen Kenntnisstand zur Verfügung stellen und nicht zu parlamentarischen Initiativen bzw. weiteren Planungen der Länder Auskunft geben. Vor diesem Hintergrund kann die Bundesregierung Folgendes mitteilen:
Derzeit verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung folgende Länder über einen vergabespezifischen Mindestlohn:
• Berlin: 13,00 Euro,
• Brandenburg: 13,00 Euro,
• Bremen: 12,29 Euro,
• Thüringen: 12,07 Euro,
• In Sachsen-Anhalt berechnet sich der Vergabemindestlohn anhand der Entgeltgruppe 1, Erfahrungsstufe 2 (inklusive Jahressonderzahlungen im Tarifgebiet Ost) des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes der Länder.
Derzeit verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung alle Bundesländer bis auf Sachsen und Bayern über eine Tariftreueregelung. In den meisten Ländern handelt es sich um deklaratorische Tariftreueregelungen, die sich auf ohnehin bestehende Pflichten aus allgemeinverbindlichen Tarifverträgen oder durch Rechtsverordnung verbindlichen Branchenmindestlöhnen beziehen. Nur in Berlin, Bremen, Thüringen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt verpflichten die Tariftreueregelungen konstitutiv zur Einhaltung tariflicher Arbeitsbedingungen. Dabei setzen die Regelungen in Bremen und im Saarland den Erlass einer Rechtsverordnung für die Anwendung tariflicher Arbeitsbedingungen voraus.
Die Schwellenwerte in den Landesregelungen mit konstitutiver Tariftreueregelung variieren und sind auch für die erfassten Auftragsarten teilweise unterschiedlich ausgestaltet:
• In Berlin liegt der Schwellenwert für Bauleistungen bei 50 000 Euro und für Dienstleistungen bei 10 000 Euro.
• In Thüringen liegt der Schwellenwert für Bauleistungen bei 50 000 Euro und für Dienst- und Lieferleistungen bei 20 000 Euro.
• In Bremen liegt der Schwellenwert für Bauleistungen bei 5 000 Euro und für Dienstleistungen bei 1 000 Euro.
• In Sachsen-Anhalt liegt der Schwellenwert für Bauleistungen bei 120 000 Euro und für Liefer- und Dienstleistungen bei 40 000 Euro.
• Im Saarland gilt ein einheitlicher Schwellenwert für alle Auftragsarten in Höhe von 25 000 Euro.
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6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass zum Erreichen möglicher Regelungsziele der Bundestariftreueregelung (z. B.: fairer Wettbewerb, Schutz der beim Auftrag eingesetzten Beschäftigten und die Stärkung der Tarifbindung) die Schwellenwerte möglichst niedrig angesetzt werden sollten (bitte begründen)?
8. Welche Vorteile bzw. Nachteile sieht die Bundesregierung in der Anwendung der jeweils beschrittenen Wege (Tarifregister bzw. Rechtsverordnung) im Hinblick auf eine Tariftreueregelung auf Bundesebene?
10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass auch repräsentative regionale Branchentarifverträge bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu berücksichtigen sind (bitte begründen)?
11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass nach dem Vorbild einiger Bundesländer auch für Branchen ohne Tarifvertrag ein Vergabemindestlohn notwendig ist, um das im Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP verfolgte Ziel, dass „faire Löhne in Deutschland bezahlt werden“ (vgl. Koalitionsvertrag, S. 56) erreichen zu können (bitte begründen)?
12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass auch Bundesbehörden (Behörden der unmittelbaren Staatsverwaltung sowie voll-, teil- oder nichtrechtsfähige Anstalten, Körperschaften und Stiftungen der mittelbaren Staatsverwaltung), die Aufgaben der bundeseigenen Verwaltung in Deutschland wahrnehmen, unter den Geltungsbereich der öffentlichen Auftragsvergabe des Bundes fallen (bitte begründen)?
13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass vor dem Hintergrund guter Unternehmens- und aktiver Beteiligungsführung im Bereich des Bundes von 2020 (Public Corporate Governance Kodex des Bundes –PCGK) „ein klares Statement für […] die gesetzes- und tarifgetreue Entlohnung gesetzt“ (Beteiligungsbericht des Bundes 2022, S. 19) wird, und demzufolge eine gesetzliche Tariftreueregelung auch für Unternehmen gelten muss, die sich mehrheitlich in Bundesbesitz befinden (bitte begründen)?
15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB Teil A) so anzupassen ist, dass auch im Rahmen der Präqualifizierungsverfahren (PQ-Verfahren) die Tariftreue bei Bauleistungen nachzuweisen ist (bitte begründen)?
23. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass Verstöße gegen Tariftreuebestimmungen zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen können und deshalb abschreckende Sanktionen dazu geeignet sind, um Auftragnehmer anzuhalten, sich an die gesetzlichen Bestimmungen zu halten, und wenn ja, sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund entsprechende Nachbesserungs- bzw. Klarstellungsbedarfe im GWB (bitte begründen)?
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Die Fragen 6, 8, 10 bis 13, 15 und 23 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet.
Der zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vereinbarte Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ sieht vor, dass zur Stärkung der Tarifbindung die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden werden soll. Die nähere Ausgestaltung einer Bundestariftreueregelung wird derzeit vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geprüft.
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9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass es unionsrechtlich möglich ist (vgl. Entscheidung des EuGH zur Sache Säh- köalojen ammattiliitto; Urteil vom 12. Februar 2015 – C-396/13), komplette Tarifsysteme, inklusive des gesamten Tarifgitters sowie, anknüpfend an § 2 Absatz 1 Nummer 1 i. V. m § 2a AEntG, auch Zulagen, Zuschläge, Sonderzahlungen, Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen, bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu berücksichtigen (bitte begründen)?
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Für die Ausgestaltung einer Tariftreueregelung legt der Katalog an Arbeitsbedingungen des Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG, in der geänderten Fassung der Richtlinie (EU) 2018/957, die äußere Grenze an regelbaren Arbeitsbedingungen fest. In der angesprochenen Rechtssache Sähköalojen ammattiliitto hat der EuGH, vor der Änderung zu „Entlohnung“ durch die Richtlinie (EU) 2018/957, den Begriff „Mindestlohnsatz“ konkretisiert und den Katalog der regelbaren Arbeitsbedingungen insofern näher bestimmt. Innerhalb dieses Rahmens gestattet das Unionsrecht, verbindliche Arbeitsbedingungen auch für aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorzugeben.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Frage 6, 8, 10 bis 13, 15 und 23 verwiesen.
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14. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, jegliche steuerliche Förderung aus dem Bundeshaushalt zukünftig davon abhängig zu machen, ob das geförderte Unternehmen nach einem maßgeblichen Tarifvertrag entlohnt (bitte begründen)?
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Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit, jegliche steuerliche Förderung aus dem Bundeshaushalt von tarifvertraglicher Entlohnung abhängig zu machen. Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung sich die Entbürokratisierung und Vereinfachung des Steuersystems zum Ziel gesetzt, um die notwendigen Investitionen in die Modernisierung und Transformation der Wirtschaft zu fördern. Zusätzliche Regelungen für die steuerliche Förderung von Unternehmen würden dem zuwiderlaufen und sowohl für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler als auch für die Steuerverwaltung einen Anstieg des Verwaltungsaufwands bedeuten.
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16. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Auftragsvolumen der auf Bundesebene vergebenen Aufträge und Konzessionen (soweit bereits möglich, für das Jahr 2021 nach Schwellenwerten, Anzahl der Aufträge, Auftragsart, absolut sowie jeweils anteilig am Gesamtvolumen angeben)?
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Laut dem ersten veröffentlichten Bericht zur Vergabestatistik betreffend das erste Halbjahr 2021 wurden insgesamt öffentliche Aufträge und Konzessionen mit einem Gesamtvolumen von 52 809,4 Mio. Euro vergeben, die sich auf eine Gesamtanzahl von 86 978 Aufträgen und Konzessionen verteilen. Beschränkt auf die Bundesebene beläuft sich die Anzahl öffentlicher Aufträge und Konzessionen auf 9 881 (11,36 Prozent) bei einem Auftragsvolumen von 9 891,4 Mio. Euro (18,73 Prozent).
Im Hinblick auf die Auftragsarten erfolgt in dem ersten Halbjahresbericht lediglich eine Differenzierung bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen auf allen Ebenen, nicht jedoch allein für die Bundesebene. Gesamtheitlich betrachtet zeigte sich dabei folgendes Bild:
Anzahl absolut
Anzahl in Prozent
Volumen in Mio. Euro
Volumenanteil in Prozent
Bauaufträge 46.773 53,78 16.443,1 31,14
Lieferaufträge 17.024 19,57 8.333,9 15,78
Dienstleistungsaufträge 23.171 26,64 27.936,1 52,90
Dienstleistungskonzessionen 10 0,01 96,4 0,18
Baukonzessionen - - - -
Hinsichtlich der Schwellenwerte erfolgt in dem Bericht eine Differenzierung zwischen Ober- und Unterschwelle. Bezüglich der Anzahl aller öffentlicher Aufträge und Konzessionen entfallen dabei 77 414 (89 Prozent) auf den Unterschwellen- und 9 564 (11 Prozent) auf den Oberschwellenbereich. In Bezug auf das Auftragsvolumen ergibt dies 13 073 Mio. Euro (25 Prozent) im Bereich der Unterschwelle und 39 736 Mio. Euro (75 Prozent) im Oberschwellenbereich. Bundesseitig entfallen dabei 2 279 (23,83 Prozent) Vergaben auf den Bereich der Oberschwelle mit einem Volumen von 8 429,7 Mio. Euro (21,21 Prozent) sowie 7 602 (9,82 Prozent) Vergaben auf den Bereich der Unterschwelle mit einem Volumen von 1 461,7 Mio. Euro (11,18 Prozent).
Eine Differenzierung nach Auftragsarten im Ober- und Unterschwellenbereich erfolgt in dem Bericht wiederum nur bezogen auf die Gesamtsumme aller Vergaben auf allen Ebenen der Auftraggeber. Oberhalb der EU-Schwellenwerte teilen sich die erteilten Aufträge und Konzessionen danach wie folgt auf:
Anzahl absolut
Anzahl in Prozent
Volumen in Mio. Euro
Volumenanteil in Prozent
Bauaufträge 297 3,11 5.588,5 14,06
Lieferaufträge 3.353 35,06 7.441,8 18,73
Dienstleistungsaufträge 5.904 61,73 26.609,8 66,97
Dienstleistungskonzessionen 10 0,10 96,4 0,24
Baukonzessionen - - - -
Unterhalb der EU-Schwellenwerte ergibt sich folgende Aufteilung:
Anzahl absolut
Anzahl in Prozent
Volumen in Mio. Euro
Volumenanteil in Prozent
Bauaufträge 46.476 60,04 10.854,6 83,03
Lieferaufträge 13.671 17,66 892,1 6,82
Dienstleistungsaufträge 17.267 22,30 1.326,3 10,15
Über den genannten Bericht zu den Ergebnissen der Vergabestatistik für das erste Halbjahr 2021 hinaus verweist die Bundesregierung – für weitere öffentliche Auswertungen zu statistisch erhobenen Daten für die Vergabestatistik – auf die GENESIS-Online Datenbank auf den Internetseiten des Statistischen Bundesamtes.
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17. In wie vielen Fällen, bezogen auf die Gesamtzahl sowie auf das Gesamtvolumen, der vergebenen öffentlichen Aufträge und Konzessionen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung das Merkmal „Tariftreue“ als soziales Nachhaltigkeitskriterium auf Bundesebene als Ausführungsbedingung zum Gegenstand der Ausschreibung gemacht (soweit bereits möglich, für das Jahr 2021 nach Schwellenwerten, Anzahl der Aufträge, Auftragsart sowie Volumen differenzieren, andernfalls bitte soziale Nachhaltigkeitskriterien als Ganzes angeben)?
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Unter der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien im Sinne der Vergabestatistikverordnung wird die Beachtung von bestimmten Kriterien bei der Entscheidung über die Auswahl der Auftragnehmerin oder des Auftragnehmers verstanden. Dabei wird zwischen sozialen, umweltbezogenen und innovativen Aspekten differenziert. Eine darüberhinausgehende Differenzierung der einzelnen Merkmale erfolgte im Bericht zu den Ergebnissen der Vergabestatistik für das erste Halbjahr 2021 nicht.
Der zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vereinbarte Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ sieht vor, für die Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, „Tariftreue“ konstitutiv als Ausführungsbedingung zum Gegenstand der Ausschreibung machen zu können.
Zur Verwendung sozialer Nachhaltigkeitskriterien als Ganzes verweisen wir auf Abschnitt 6 des ersten Halbjahresberichts zu den Ergebnissen der Vergabestatistik für das erste Halbjahr 2021.
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18. Wie häufig wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung soziale Nachhaltigkeitskriterien bei der Auftragsvergabe auf Bundesebene als Zuschlagskriterium berücksichtigt (soweit bereits möglich, für das Jahr 2021 nach Schwellenwerten, Anzahl der Aufträge, Auftragsart sowie Volumen differenzieren)?
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Laut dem ersten veröffentlichten Bericht zur Vergabestatistik betreffend das erste Halbjahr 2021 wurden im Bereich der Oberschwelle – allerdings nicht differenziert nach Auftraggeberebene Bund, Länder oder Kommunen – bei insgesamt 169 öffentlichen Aufträgen und Konzessionen mit einem Volumen von 756,4 Mio. Euro. Euro soziale Kriterien als Zuschlagskriterien verwendet. Dies entspricht mit Blick auf die Anzahl der öffentlichen Aufträge und Konzessionen einem Anteil von 1,77 Prozent und mit Blick auf das Volumen einem Anteil von 1,9 Prozent.
Im Bereich der Unterschwelle differenziert der erste veröffentlichte Bericht zur Vergabestatistik betreffend das erste Halbjahr 2021 nicht danach, auf welcher Stufe eines Vergabeverfahrens soziale Nachhaltigkeitskriterien angewandt wurden.
Über den genannten Bericht hinaus verweist die Bundesregierung – für weitere öffentliche Auswertungen zu statistisch erhobenen Daten für die Vergabestatistik – auf die GENESIS-Online Datenbank auf den Internetseiten des Statistischen Bundesamtes.
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19. In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Auftragnehmer von den Vergabestellen, die in den Verantwortungsbereich des Bundes fallen, nach § 123 Absatz 4 GWB (zwingende Ausschlussgründe) von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen, weil aufgrund des Vorenthaltens und des Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB) Beiträge zur Sozialversicherung nicht abgeführt wurden (bitte seit dem 1. Dezember 2021 monatlich darstellen)?
20. In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Auftragnehmer von den Vergabestellen, die in den Verantwortungsbereich des Bundes fallen, nach § 24 Absatz 1 Nummer 1 und 3 sowie nach § 124 Absatz 2 GWB (fakultative Ausschlussgründe) i. V. m. § 2 Wettbewerbsregistergesetz von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen (bitte seit dem 1. Dezember 2021 monatlich darstellen sowie nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz, dem Mindestlohngesetz [MiLoG], dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sowie nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes [SchwarzArbG] differenzieren)?
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Die Fragen 19 und 20 werden gemeinsam beantwortet.
Ausschlüsse von der Teilnahme an Vergabeverfahren im Verantwortungsbereich des Bundes werden nicht zentral erfasst.
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21. Wie viele Unternehmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit im Wettbewerbsregister (nach dem Wettbewerbsregistergesetz – WRegG) gelistet, weil sie gegen die in den Fragen 19 und 20 genannten gesetzlichen Bestimmungen verstoßen haben (bitte seit dem 1. Dezember 2021 monatlich darstellen)?
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Die Frage wird mit nachstehender Übersicht beantwortet.
In der Übersicht sind die derzeit im Wettbewerbsregister eingetragenen Unternehmen aufgeführt, die gegen folgende Vorschriften verstoßen haben: § 266a
des Strafgesetzbuches (StGB), Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), Mindestlohngesetz (MiLoG), Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG).
Die Zahlen sind monatlich getrennt seit dem 1. Dezember 2021 bis zum 31. März 2023 aufgelistet. Der Monat der Auflistung entspricht dem Monat der Eintragung in das Wettbewerbsregister.
§ 266a StGB
Schwarz-ArbG
AÜG MiLoG AEntG
Dezember 2021 15 0 1 2 3
Januar 2022 89 0 0 4 2
Februar 2022 137 0 3 10 9
März 2022 218 0 0 15 7
April 2022 174 0 1 10 12
Mai 2022 237 0 0 16 9
Juni 2022 211 0 2 15 12
Juli 2022 196 0 0 17 5
August 2022 212 1 2 15 9
September 2022 197 0 5 8 5
Oktober 2022 174 2 2 11 3
November 2022 217 1 5 20 6
Dezember 2022 153 0 0 13 3
Januar 2023 267 0 4 13 15
Februar 2023 257 1 0 11 8
März 2023 266 0 4 16 11
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22. Wie viele Unternehmen haben nach Kenntnis der Bundesregierung von der Möglichkeit der sogenannten Selbstreinigung nach § 123 Absatz 4 Satz 2 GWB Gebrauch gemacht (bitte seit dem 1. Dezember 2021 monatlich darstellen)?
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Die Zahl der Fälle, in denen Unternehmen von der Möglichkeit der Selbstreinigung nach § 123 Absatz 4 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Gebrauch gemacht haben, wird nicht zentral erfasst.
Die Fälle, in denen Unternehmen gemäß § 8 Absatz 1 des Wettbewerbsregistergesetzes (WRegG) beim Bundeskartellamt als Registerbehörde Anträge auf Löschung einer Eintragung wegen Selbstreinigung nach § 123 Absatz 4 Satz 2 GWB vor Ablauf der Löschungsfrist nach § 7 Absatz 1 WRegG gestellt haben, sind – getrennt nach Monaten seit dem 1. Dezember 2021 bis zum 31. März 2023 – in nachstehender Übersicht aufgeführt.
Anzahl Anträge
Dezember 2021 0
Januar 2022 1
Februar 2022 0
März 2022 0
April 2022 0
Mai 2022 2
Juni 2022 0
Juli 2022 1
Anzahl Anträge
August 2022 0
September 2022 0
Oktober 2022 0
November 2022 0
Dezember 2022 0
Januar 2023 0
Februar 2023 0
März 2023 1
In drei Fällen wurde dem Antrag stattgegeben und in einem Fall erfolgte eine Antragsrücknahme. Ein Antrag befindet sich derzeit im Verfahren. Es gibt keine abgelehnten Anträge.
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Vorbemerkung der Fragesteller
Bereits in der Vergangenheit waren Bearbeitungsrückstände von Geldwäscheverdachtsmeldungen bei der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen beim Zoll, der Financial Intelligence Unit (FIU), bekannt geworden. In der Folge versicherte der damalige Bundesminister der Finanzen Olaf Scholz den Mitgliedern des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 20. September 2021, dass es bei der FIU keine Bearbeitungsrückstände mehr gebe. Dies wurde den Mitgliedern des Finanzausschusses am 16. Februar 2022 seitens der FIU-Leitung nochmals bestätigt (www.bundestag.de/press e/hib/kurzmeldungen-881252).
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 wurden die Mitglieder des Finanzausschusses durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) jedoch darüber in Kenntnis gesetzt, dass zwischen Januar 2020 und 30. September 2022 bei der FIU 100 963 als risikorelevant eingestufte Verdachtsmeldungen nicht endbearbeitet wurden. Auf Nachfragen der Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag wurde zudem bekannt, dass das BMF bereits am 26. August 2022 Kenntnis darüber hatte, dass bei der FIU Verdachtsmeldungen in „erheblichem Umfang“ nicht endbearbeitet waren (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 61 auf Bundestagsdrucksache 20/4852). Dennoch unterließ es das BMF, die Mitglieder des Finanzausschusses bei einem Besuch der FIU in Köln am 13. September 2022 über die vorliegenden Erkenntnisse zu unterrichten. Das BMF und die FIU versäumten es auch, die Financial Action Task Force (FATF) als wichtigste internationale Organisation zur Bekämpfung der Geldwäsche im Zuge ihrer Prüfung der Geldwäschevorkehrungen in Deutschland über den Bearbeitungsrückstau zu informieren (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 60 auf Bundestagsdrucksache 20/4852).
Mit Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen Katja Hessel an die Mitglieder des Finanzausschusses vom 3. Februar 2023 wurde schließlich mitgeteilt, dass im Zuge der Aufarbeitung des Bearbeitungsrückstaus zusätzlich zu den 100 963 im Oktober 2022 öffentlich bekannt gewordenen Fällen weitere 188 860 Verdachtsmeldungen identifiziert worden seien, die über einen „unklaren (End-)Status“ verfügten. Von den insgesamt 289 823 entweder nicht endbearbeiteten und als risikorelevant klassifizierten oder mit unklarem (End-)Status identifizierten Verdachtsmeldungen sollen nach Angaben der Bundesregierung nunmehr lediglich 58 288
Meldungen, rund 20 Prozent, vertieft analysiert werden, um der Abarbeitung des Rückstaus aus ihrer Sicht Genüge zu tun. Zu Fragen, nach welchen Kriterien die Auswahl der noch vertieft zu analysierenden Verdachtsmeldungen getroffen wurde – so wie auch zu Fragen zur Entstehung und der Auf- und Abarbeitung des neuerlichen Bearbeitungsrückstaus – schweigt die Bundesregierung beharrlich. Auf diese Weise wird eine transparente Aufklärung der Missstände bei der FIU bislang verhindert.
1. Hat sich die FATF im Rahmen der Länderprüfung und/oder die EU-Kommission im Rahmen der supranationalen Risikoanalyse bei der FIU und/oder beim BMF nach Rückständen bei der Bearbeitung von Verdachtsmeldungen durch die FIU erkundigt (alle Zeiträume betreffend), und wenn ja, aus welchem Grund wurde daraufhin keine Überprüfung der Bearbeitungsrückstände zum damaligen Zeitpunkt durchgeführt?
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Die bekanntgewordenen Bearbeitungsrückstände bei der Financial Intelligence Unit (FIU) waren für das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zum Stichtag für die Bereitstellung von Informationen an die Financial Action Task Force (FATF) (Ende des Vor-Ort-Besuchs der FATF, 19. November 2021) nicht bekannt. Der FATF waren im Rahmen der Prüfung aber frühere Bearbeitungsrückstände bei der FIU aus den Jahren 2017 und 2018 bekannt, diese wurden in der Prüfung bewertet und in dem Bericht verarbeitet.
Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 1 und 2 und 3 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 20/5191 sowie auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen 60 und 61 des Abgeordneten Matthias Hauer auf Bundestagsdrucksache 20/4852 hingewiesen.
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2. Worin machte sich aus Sicht der Bundesregierung die Beiläufigkeit des Schreibens vom 26. August 2022 bemerkbar, mit dem das BMF durch die FIU auskunftsgemäß erstmals darüber informiert wurde, dass „Verdachtsmeldungen in erheblichem Umfang“ nicht endbearbeitet wurden (vgl. die Antwort auf die Schriftliche Frage 61 auf Bundestagsdrucksache 20/4852), wer sind Adressat und Absender des Schreibens, und welche weiteren Informationen sind diesem Schreiben zu entnehmen?
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Die Hinweise darüber, dass noch Verdachtsmeldungen in erheblichem Umfang in die abschließende Bearbeitung, d. h. in die vertiefte manuelle Analyse, zu „überführen“ seien, waren Gegenstand der turnusmäßigen Berichterstattung der FIU an die Fachabteilung des BMF zum Sachstand des sogenannten Transformationsprozesses. Diese Berichterstattung bezieht sich – so auch das betreffende Schreiben – auf die Umsetzung der Vorschläge der Oliver Wyman GmbH (im Folgenden: Oliver Wyman).
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25,693 |
3. Hat sich das BMF bei der FIU in dieser oder der vorangegangenen Wahlperiode nach möglichen Bearbeitungsrückständen bei der Bearbeitung von Verdachtsmeldungen informiert, und wenn ja, wann konkret hat die Bundesregierung vor dem 26. August 2022 Informationen zu Bearbeitungsrückständen bei der FIU abgefragt, um das Verwaltungshandeln der FIU auf seine Rechtsmäßigkeit hin zu überprüfen?
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Die FIU hat nach Abarbeitung früherer Bearbeitungsrückstände, die auch Gegenstand von parlamentarischen Anfragen gewesen sind (vgl. Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 3 bis 3e der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/27346), dem BMF gegenüber regelmäßig dargelegt, dass die als werthaltig ausgesteuerten Verdachtsmeldungen unmittel-
bar in die vertiefte Analyse überführt werden (vgl. FIU-Jahresberichte 2020 und 2021). Nach dieser Berichtslage hätten erneute Bearbeitungsrückstände nicht entstehen dürfen. Zudem enthielt die kontinuierliche Berichterstattung der FIU zu den Erledigungszahlen keine Auffälligkeiten, die ein aufsichtsrechtliches Einschreiten veranlasst haben. Die Bearbeitungsrückstände waren daher für das BMF vor der Berichterstattung durch die FIU weder bekannt noch erkennbar.
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25,694 |
4. Wurde das BMF seit dem 26. August 2022 seitens der FATF in Bezug auf den Bearbeitungsrückstau bei den Verdachtsmeldungen bei der FIU kontaktiert, und/oder haben bei anderen Gelegenheiten zwischen der Bundesregierung und der FATF und/oder anderen internationalen Organisationen Austausche hierzu stattgefunden, und wenn ja, wann?
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Für die FATF-Länderprüfung werden alle Informationen, die nach der Prüfung bekannt geworden sind, schriftlich im Follow-up-Verfahren des Landes bei der FATF eingespeist. Auf das Verfahren hat Deutschland keinen Einfluss und es richtet sich nach der Planung der FATF. Hinsichtlich der erstmals am 26. August 2022 beiläufig erhaltenen Hinweise, dass noch Verdachtsmeldungen in erheblichem Umfang in die abschließende Bearbeitung, d. h. in die vertiefte manuelle Analyse, zu „überführen“ seien, gab es seitdem keine formelle Kontaktaufnahme seitens der FATF-Prüfer. Die Leiterin der deutschen FATF-Delegation hat allerdings anlässlich einer FATF-Sitzung den Präsidenten, das Sekretariat und weitere Leitungsmitglieder der FATF über den Sachverhalt mündlich informiert. Die Informationen wurden von den Vertreterinnen und Vertretern der FATF zur Kenntnis genommen.
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25,695 |
5. Wie hat sich die Anzahl der bei der FIU entweder nicht endbearbeiteten oder der in unklarem (End-)Status verbliebenen Verdachtsmeldungen entwickelt (bitte im Zeitraum von Januar 2020 bis Februar 2023 jeweils die zum Monatsende bestehende kumulierte Gesamtanzahl aller nicht endbearbeiteten oder der in unklarem (End-)Status verbliebenen Verdachtsmeldungen angeben sowie dies auch für die Zeitpunkte 20. September 2021, 16. Februar 2022, 26. August 2022, 13. September 2022 und 24. Oktober 2022 mitteilen)?
6. Wie schreitet die Abarbeitung des Bearbeitungsrückstaus nach den Erkenntnissen der Bundesregierung bezüglich der noch verbleibenden nicht endbearbeiteten oder in unklarem (End-) Status verbliebenen Verdachtsmeldungen seit Bekanntwerden des Rückstaus wöchentlich zahlenmäßig voran?
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Die Fragen 5 und 6 werden zusammen beantwortet.
Die Beantwortung der Fragen kann nicht offen erfolgen, weshalb die Antwort als „Verschlusssache (VS) – Vertraulich“ gemäß der Verschlusssachenanweisung (VSA) eingestuft und zur Einsichtnahme in die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages eingestellt wird*. Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte kann für die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder mindestens nachteilig sein. Entsprechend den internationalen Standards der FATF und den europarechtlichen Vorgaben handelt die FIU eigenständig und ist in ihrer operativen Analyse unabhängig. Ihre Arbeitsabläufe und Analyseschritte unterliegen strengen Geheimschutzregelungen. Ein Bekanntwerden der Arbeitsweise der FIU, deren Analysetätigkeit einer Strafverfolgung im Bereich der Bekämpfung
von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unmittelbar vorgelagert ist, wäre daher für entsprechende Ermittlungserfolge und somit die Sicherheit und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland mindestens nachteilig. Aufgeschlüsselte Angaben zu einzelnen Zeiträumen sowie einzelne stichtagsbezogene Angaben, die sich zu einem Gesamtbild für einen bestimmten Zeitraum verdichten können, lassen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der FIU zu. Eine Bekanntgabe hierzu würde Rückschlüsse auf die Analysemöglichkeiten und somit unmittelbar auf das Analysepotential und die Fähigkeiten der FIU zulassen und dadurch die Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags gefährden. Die erbetenen Angaben sind daher als „Verschlusssache – Vertraulich“ einzustufen.
Hiervon zu unterscheiden ist die offen kommunizierte Angabe zur abschließend ermittelten Gesamtzahl der Bearbeitungsrückstände und zum Fortschritt von deren Abarbeitung. Die Unterrichtung zu diesen Angaben kann nach konkreter Abwägung des parlamentarischen Auskunftsrechts mit den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland offen kommuniziert werden, da durch die Nennung der abschließend ermittelten Gesamtzahl der Bearbeitungsrückstände und des Fortschritts der Abarbeitung der Bearbeitungsrückstände noch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der FIU gezogen werden können. Zusätzliche Angaben zu weiteren Stichtagen würden hingegen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der FIU zulassen und können daher bei konkreter Abwägung des parlamentarischen Auskunftsrechts mit den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland nicht offen erfolgen.
Diese Verfahrensweise steht nicht im Widerspruch zur bisherigen Antwortpraxis der Bundesregierung zur Bearbeitung von Verdachtsmeldungen vor 2020, da sich diese Fragen auf die Bearbeitung von Verdachtsmeldungen vor vollständiger Umstellung auf die risikobasierte Arbeitsweise ab dem 1. Januar 2020 bezogen haben. Da sich seinerzeit mangels einer risikobasierten Vorfilterung die Anzahl der „in Bearbeitung befindlichen“ Verdachtsmeldungen aus sämtlichen nicht endbearbeiteten Verdachtsmeldungen zusammensetzte, enthielten diese Darstellungen keine Feststellungen zum konkreten Umfang der tatsächlich werthaltigen, noch nicht endbearbeiteten Meldungen und ermöglichten damit keine vergleichbaren Einblicke in die operative Analyse.
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25,696 |
7. Hält die Bundesregierung an ihrer bisherigen Aussage fest, dass die Abarbeitung des Rückstaus von insgesamt 289 823 Verdachtsmeldungen, die bei der FIU entweder als nicht endbearbeitet oder als mit unklarem (End-)Status identifiziert wurden, im Mai 2023 abgeschlossen sein wird?
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Der Fortgang der Abarbeitung wird seitens BMF durch ein enges Monitoring (tägliche Berichtspflicht) begleitet. Die Abarbeitung der Bearbeitungsrückstände erfolgt derzeit unter Hochdruck. Durch die kurzfristige Unterstützung von weiteren Beschäftigten aus anderen Bereichen der Zollverwaltung sowie durch FIU-interne Umpriorisierungen beim Personaleinsatz kann sichergestellt werden, dass es beim geplanten Abschluss der Abarbeitung im Mai 2023 bleiben kann. Auch das BMF hält diese Bearbeitungsrückstände weiterhin für beherrschbar.
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25,697 |
8. Wie viele Verdachtsmeldungen wurden im Rahmen der Abarbeitung des Rückstaus der entweder als nicht endbearbeitet oder als mit unklarem (End-) Status identifizierten Verdachtsmeldungen durch die FIU an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet und wie verhält sich diese Zahl zu den bisher insgesamt endbearbeiteten Verdachtsmeldungen des Rückstaus?
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Die Beantwortung der Frage kann nicht offen erfolgen, weshalb die Antwort als „Verschlusssache – Vertraulich“ gemäß der VSA eingestuft und zur Einsichtnahme in die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages eingestellt wird.* Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte kann für die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder mindestens nachteilig sein. Entsprechend den internationalen Standards der FATF und den europarechtlichen Vorgaben handelt die FIU eigenständig und ist in ihrer operativen Analyse unabhängig. Ihre Arbeitsabläufe und Analyseschritte unterliegen strengen Geheimschutzregelungen. Ein Bekanntwerden der Arbeitsweise der FIU, deren Analysetätigkeit einer Strafverfolgung im Bereich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unmittelbar vorgelagert ist, wäre daher für entsprechende Ermittlungserfolge und somit die Sicherheit und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland mindestens nachteilig.
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9. Welche Maßnahmen wurden seitens der Bundesregierung und/oder der FIU getroffen, um zu verhindern, dass aufseiten der Strafverfolgungsbehörden im Falle der Weitergabe einer Verdachtsmeldung durch die FIU eine erneute Datenerfassung erfolgen muss, welches standardisierte Verfahren existiert für die Weitergabe von Verdachtsmeldungen an die Strafverfolgungsbehörden, und welches Dateiformat wird für die Weitergabe genutzt?
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Gegenwärtig erfolgt die Übermittlung von Analyseberichten und Verdachtsmeldungen sowie sachdienlichen Informationen standardisiert und grundsätzlich elektronisch über eine sichere Datenleitung nach Maßgabe technisch möglicher Dateiformate.
Um eine erneute Erfassung der Informationen bei den Empfängerbehörden zu vermeiden, soll zukünftig eine automatisierte Übermittlung mittels einer zugehörigen Schnittstelle zur elektronischen Fallabgabe erfolgen. Hierfür ist vorgesehen, den einschlägigen „Polizei-Standard“ anzuwenden bzw. die betreffenden Daten in das polizeiliche Informationsmodell zu konvertieren.
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25,699 |
10. Welche Kategorien existieren hinsichtlich des Bearbeitungsstandes der bei der FIU aktuell vorhandenen Verdachtsmeldungen?
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Die FIU hat zum 21. November 2022 für die operative Analyse im Bereich Geldwäsche das 2-Level-Modell eingeführt. Zu den Einzelheiten wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 24 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 20/5191 verwiesen.
Mit der Einführung des 2-Level-Modells kann sichergestellt werden, dass sämtliche als werthaltig ausgesteuerten Verdachtsmeldungen unmittelbar in die Endbearbeitung genommen werden. Insoweit existieren nur die Bearbeitungsstände „unmittelbar in der Endbearbeitung“ sowie „endbearbeitet“.
Durch die FIU wird künftig ausgeschlossen, dass es – wie bei den bisherigen Bearbeitungsrückständen – zu einer Unterbrechung des Bearbeitungsvorgangs
vom Eingang einer Verdachtsmeldung bis zum tatsächlichen Beginn der Endbearbeitung durch die Analystinnen und Analysten kommt. Das BMF hat dies im Rahmen seiner Rechtsaufsicht durch entsprechende Vorgaben abgesichert.
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25,700 |
11. Wurde das BMF im Rahmen seiner Rechtsaufsicht in das Vorhaben der FIU eingebunden oder hierüber informiert, bei der Abarbeitung des Bearbeitungsrückstaus ein Stichtagskriterium anzuwenden, was ist die Haltung der Bundesregierung hierzu, und wurde im Rahmen der Abarbeitung des Bearbeitungsrückstaus bereits ein Stichtagskriterium angewendet, und wenn ja, mit welchem Stichtag?
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Die im Zusammenhang mit der Abarbeitung von der FIU vorgenommene Priorisierung ist im Rahmen ihrer fachlichen Unabhängigkeit im Bereich der operativen Analyse erfolgt und gegenüber dem BMF berichtet worden. Nach Prüfung des BMF im Rahmen der bestehenden Aufsicht, welche sich hier auf die Rechtsaufsicht beschränkt, kann dies nicht beanstandet werden.
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25,701 |
12. Welche Beratungsgesellschaften sind aktuell bei der FIU tätig, welcher IT-Dienstleister verantwortet die bei der FIU im Einsatz befindlichen IT-Filter, die die FIU-Leitung gegenüber den Mitgliedern des Finanzausschusses angesprochen hat, und mit welchem Dienstleister wird das Projekt „FIU Analytics“ umgesetzt und betrieben?
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Das bei der FIU aktuell tätige externe Beratungsdienstleistungsunternehmen ist die PwC Strategy& (Germany) GmbH (im Folgenden: PwC). Die von der FIU eingesetzten Filtermechanismen werden ausschließlich durch die FIU verantwortet. Das Projekt „FIU-Analytics“ wird über den IT-Dienstleister der Bundesverwaltung, das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) umgesetzt. Der weitere umsetzende externe Dienstleister für das Projekt „FIU-Analytics“ hat einer Nennung des Unternehmens widersprochen.
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25,702 |
13. Was wurde seitens der Bundesregierung bisher unternommen, um die Handlungsempfehlungen der FATF – insbesondere die Empfehlung, die „financial intelligence“ im Bereich der FIU zu verbessern – umzusetzen?
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Das BMF hat die FIU seit ihrer Verlagerung zur Zollverwaltung im Jahr 2017 insbesondere durch erweiterte Kompetenzen, technische Verbesserungen, massive Planstellenerhöhungen und Personalzuführungen sowie externe Beratungsdienstleistungen kontinuierlich gestärkt. Darüber hinaus hat die FIU gemeinsam mit den Strafverfolgungsbehörden im Rahmen des sogenannten Auswerteprojekts untersucht, wie die aktuelle risikobasierte Analyse- und Filterpraxis der FIU optimiert werden kann.
Seit August 2022 befindet sich zudem der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf die Daten der FIU im Echtbetrieb. Derzeit sind über das Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt 12 teilnehmende Behörden angebunden, nämlich das BKA, die Landeskriminalämter (LKÄ) Niedersachsen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, das Landespolizeipräsidium (LPP) Saarland und die Polizei Bremen sowie das Zollkriminalamt (ZKA) mit den Zollfahndungsämtern als dazugehörige Ortsbehörden.
Außerdem hat das BMF am 24. August 2022 Eckpunkte zur Bekämpfung von Finanzkriminalität vorgelegt, welche u. a. die weitere Hebung des Effizienzpotentials der FIU durch gezieltere Steuerung und risikobasierte Ausrichtung zum
Ziel hat. Hinsichtlich der Umsetzung dieser Eckpunkte wird auf die Antwort zu Frage 71 verwiesen.
Daneben prüft die Bundesregierung kurzfristig umzusetzende Maßnahmen, um die Effektivität der FIU zu steigern.
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25,703 |
14. Was genau stellt sich die Bundesregierung unter dem Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) bei der FIU vor, in welcher Form existiert eine solche dort bereits (bitte insbesondere konkretisieren, inwiefern es sich um maschinelles Lernen handelt), und welche zeitlichen Meilensteine hat die Bundesregierung sich bei der Umsetzung ihrer eigenen Ankündigung gesetzt, den Einsatz künstlicher Intelligenz bei der FIU voranzutreiben?
15. Worin besteht die technische Funktionsweise der KI-Komponente „FIU Analytics“, und bei welchen konkreten Arbeitsschritten kommt sie im Rahmen der operativen Analyse von Verdachtsmeldungen zum Einsatz?
16. Wie viele der in den Jahren 2021, 2022 und 2023 bei der FIU eingegangenen Verdachtsmeldungen kamen jeweils absolut und relativ mit der KI-Komponente „FIU Analytics“ in Kontakt?
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Die Fragen 14 bis 16 werden zusammen beantwortet.
Auf die Antworten der Bundesregierung zu den Fragen 35 und 36 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 20/5191 wird verwiesen.
Hinsichtlich der weiter erbetenen Angaben zur Funktionsweise von „FIU-Analytics“ muss eine Beantwortung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit unterbleiben. Durch die Beantwortung der Fragen würden spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur Methodik der FIU, offengelegt und detaillierte Einblicke zur Ausgestaltung und Durchführung der operativen Analyse ermöglicht. Eine solche Auskunft könnte zur Entwicklung entsprechender Abwehrstrategien führen und somit die Erkenntnisgewinnung der FIU erschweren oder in Einzelfällen sogar unmöglich machen. Dadurch würde die Funktionsfähigkeit der FIU, die zur Sicherheitsarchitektur des Bundes gehört und Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wie die der Nachrichtendienste des Bundes wahrnimmt, nachhaltig beeinträchtigt. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der FIU sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt zudem, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre. Im Hinblick auf eine effektive Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens wegen der Gefahren für das Staatswohl nicht hingenommen werden kann.
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25,704 |
17. Wie passt aus Sicht der Bundesregierung ihre Antwort auf die Schriftliche Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 20/5183, wonach die FIU seit Ende des Jahres 2020 die KI-Komponente „FIU Analytics“ einsetze und diese „unmittelbar in die Analyseprozesse implementiert“ sei, zu den Aussagen des FATF-Berichts, der davon spricht, dass die Software „FIU Analytics“ seit November 2020 lediglich in Feldversuchen zum Einsatz komme und die geplanten Verbesserungen der automatischen Filterung durch Einsatz einer KI-Anwendung namens „FIU Analytics“ zum Zeitpunkt des Vor-Ort Besuches der FATF in Deutschland im Zeitraum vom 1. bis 19. November 2021 ausdrücklich nicht realisiert waren (vgl. FATF Germany Mutual Evaluation Report, S. 67)?
18. In welchem Zeitraum (bitte mit taggenauen Angaben) fanden die von der FATF erwähnten Feldversuche von „FIU Analytics“ statt, wann wurde gegebenenfalls eine Entscheidung über den Einsatz der KI-Komponente außerhalb von Feldversuchen im regulären Betrieb getroffen, und wenn eine solche Entscheidung getroffen wurde, seit wann erfolgt der Einsatz von „FIU Analytics“ außerhalb von Feldversuchen?
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Die Fragen 17 und 18 werden zusammen beantwortet.
Zwischen den genannten Aussagen besteht kein Widerspruch. Die Formulierung im Mutual Evaluation Report (MER) zur FATF-Deutschlandprüfung („field tests“) ändert nichts an der Tatsache, dass die FIU seit Ende des Jahres 2020 die KI-Komponente „FIU-Analytics“ – wie in der Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 35 bis 35c der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 20/5191 beschrieben – einsetzt.
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25,705 |
19. Was ist die Haltung der Bundesregierung zu den Ausführungen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, dass der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Bereich der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr allgemein sowie auch in konkreter Bezugnahme auf die FIU eine spezifische gesetzliche Regelung erfordere (vgl. „Thesenpapier des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Thema: Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bereich der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr“ vom 23. März 2022, www.bfdi.bu nd.de/SharedDocs/Downloads/DE/Konsultationsverfahren/2_KI-Strafver folgung/Positionspapier-KI-Erstversion.pdf?__blob=publicationFile &v=5 bzw. 29. Tätigkeitsbericht für den Datenschutz und die Informationsfreiheit 2020, S. 64, www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Taetigkeitsberichte/29TB_20.pdf?__blob=publicationFile&v=8)?
20. Auf welcher Rechtsgrundlage beruht der nach Auskunft stattfindende Einsatz künstlicher Intelligenz bei der FIU (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 20/5183)?
21. Hält die Bundesregierung den bisherigen Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der FIU (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 20/5183) für grundgesetzkonform, gerade auch unter Berücksichtigung der aktuellen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu automatisierten Datenanalysen (vgl. –BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 16. Februar 2023 – 1 BvR 1547/19), bzw. sieht die Bundesregierung hierzu gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
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Die Fragen 19 bis 21 werden zusammen beantwortet.
Die Bundesregierung nimmt Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und Stellungnahmen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die In-
formationsfreiheit (BfDI) zur Kenntnis und berücksichtigt diese bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.
Der Einsatz von „FIU-Analytics“ beruht auf §§ 29, 30 Absatz 1, 2, 2a des Geldwäschegesetzes (GwG) in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Nummer 2 und 8 GwG.
Ob sich aus der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder den genannten Stellungnahmen des BfDI klarstellender gesetzlicher Anpassungsbedarf ergibt, wird gegenwärtig geprüft. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 39 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 20/5191 hingewiesen.
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25,706 |
22. Gehen die von der FIU eingesetzten Filtermechanismen über eine stichwort-bezogene Filterung von Verdachtsmeldungen hinaus, und wenn ja, inwiefern?
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Hinsichtlich der erbetenen Angaben zu den FIU-Filtern muss eine Beantwortung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit unterbleiben. Durch die Beantwortung der Frage würden spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur Methodik der FIU, offengelegt und detaillierte Einblicke zur Ausgestaltung und Durchführung der operativen Analyse ermöglicht. Eine solche Auskunft könnte zur Entwicklung entsprechender Abwehrstrategien führen und somit die Erkenntnisgewinnung der FIU erschweren oder in Einzelfällen sogar unmöglich machen. Dadurch würde die Funktionsfähigkeit der FIU, die zur Sicherheitsarchitektur des Bundes gehört und Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wie die der Nachrichtendienste des Bundes wahrnimmt, nachhaltig beeinträchtigt. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der FIU sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt zudem, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre. Im Hinblick auf eine effektive Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens wegen der Gefahren für das Staatswohl nicht hingenommen werden kann.
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25,708 |
24. Gab es in dieser oder der zurückliegenden Wahlperiode Störungsfälle im Bereich der FIU-eigenen IT-Anwendungen und/oder bei den von der FIU genutzten Softwarelösungen externer Dienstleister, und wenn ja, wann, und wie lange dauerte jeweils die Behebung entsprechender Störungsfälle?
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Nach Angaben der FIU sind Störungsfälle, soweit für die Jahre 2022 und 2023 noch rekonstruierbar, im einstelligen Bereich aufgetreten und in der Regel bin-
nen weniger Stunden behoben worden. Für die zurückliegende Wahlperiode können keine Angaben gemacht werden.
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25,709 |
25. Ist der Prozess der Konsolidierung und Migration des Informationsverbunds der FIU zum ITZ (Informationstechnikzentrum)Bund abgeschlossen, und wenn nein, wann wird dieser Prozess zum Abschluss gebracht, und welche weiteren Schritte sind aus Sicht der Bundesregierung dafür notwendig?
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Nachdem die IT-Infrastruktur zunächst durch das ZKA bereitgestellt und betrieben wurde, erfolgte in mehreren Stufen eine Konsolidierung und Migration des Informationsverbunds der FIU zum ITZBund. Der technische Prozess wurde mit der Betriebsübernahme von goAML und der Übergabe der IT-Arbeitsplätze am 18. April 2022 durch das ITZBund planmäßig abgeschlossen.
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25,710 |
26. Wie hat die FIU die sprunghaften Reduzierung der mit Stand zum 24. Oktober 2022 noch 100 963 nicht endbearbeiteten Verdachtsmeldungen und der mit Stand zum 3. Februar 2023 zusätzlichen 188 860 Verdachtsmeldungen mit unklarem (End-)Status auf insgesamt nur 58 288 Verdachtsmeldungen, die im Rahmen der Abarbeitung des Bearbeitungsrückstaus vertieft analysiert werden sollten, erreicht (bitte insbesondere angeben, welche konkreten Kriterien erfüllt sein mussten, damit eine Verdachtsmeldung in die vertiefte Analyse überführt oder nicht überführt wurde)?
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Eine Beantwortung muss aus Gründen der öffentlichen Sicherheit unterbleiben. Durch die Beantwortung der Frage würden spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur Methodik der FIU, offengelegt und detaillierte Einblicke zur Ausgestaltung und Durchführung der operativen Analyse ermöglicht. Eine solche Auskunft könnte zur Entwicklung entsprechender Abwehrstrategien führen und somit die Erkenntnisgewinnung der FIU erschweren oder in Einzelfällen sogar unmöglich machen. Dadurch würde die Funktionsfähigkeit der FIU, die zur Sicherheitsarchitektur des Bundes gehört und Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wie die der Nachrichtendienste des Bundes wahrnimmt, nachhaltig beeinträchtigt. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der FIU sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt zudem, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre. Im Hinblick auf eine effektive Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens wegen der Gefahren für das Staatswohl nicht hingenommen werden kann.
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25,711 |
27. Wie viele Spontaninformationen sind im Zeitraum von Januar 2020 bis zum 20. November 2022 bei der FIU eingegangen, wie viele davon wurden an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet, und bei wie vielen dauerte die Weiterleitung länger als drei Tage und bei wie vielen länger als einen Monat?
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Die erbetenen Angaben sind der nachstehenden Übersicht zu entnehmen:
Im Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 20. November 2022 insgesamt eingegangene Spontaninformationen
4.709
Hiervon an Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet (Stand: 24. März 2023)
837
Dauer der Weiterleitung länger als 3 Tage 815
Dauer der Weiterleitung länger als 30 Tage 721
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25,712 |
28. Wie viele Personen sind seit dem 24. Oktober 2022 mit der Abarbeitung des Rückstandes der insgesamt 289 823 Verdachtsmeldungen, die bei der FIU entweder als nicht endbearbeitet oder als mit unklarem (End-)Status identifiziert wurden, befasst, aus welchen Bereichen der Zollverwaltung stammen diese Personen (bitte nach einzelnen Bereichen aufschlüsseln), welche anderweitigen Aufgaben werden deswegen nicht oder nur verzögert erledigt, und wie erfolgte die Schulung dieser Personen für deren Einsatz im Rahmen Abarbeitung des Rückstaus?
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Die FIU setzt seit dem 1. Dezember 2022 in einer Task Force insgesamt bis zu 120 zusätzliche Beschäftigte aus anderen Bereichen der Zollverwaltung – nach fachlicher Einarbeitung durch die FIU – zur Abarbeitung der Bearbeitungsrückstände ein. Zwischenzeitlich hat sich der Einsatz auf 236 qualifizierte Beschäftigte aus anderen Bereichen der Zollverwaltung, die als Geschäftsaushilfen in der Task Force sind, erhöht. Zudem sind aktuell 82 Stammbeschäftigte in der Task Force eingesetzt (Stichtag: 15. März 2023).
Die in der Task Force eingesetzten Geschäftsaushilfen wurden im Rahmen von Präsenzveranstaltungen bei der FIU am Dienstort Köln unterwiesen. Diese Unterweisungen erfolgten durch erfahrene Beschäftigte der FIU, insbesondere solcher, die in der Task Force mitwirken bzw. operative Analysetätigkeit in der FIU verrichten. Die Unterweisungen zur Vermittlung der notwendigen Kenntnisse haben – je nach Vorerfahrung der Beschäftigten – 2,5 bis 4,5 Tage in Anspruch genommen.
Durch eine ausgewogene Verteilung, die örtliche Begebenheiten berücksichtigt, trägt die Zollverwaltung dafür Sorge, dass die Aufgabenwahrnehmung vor Ort sichergestellt ist und andere prioritäre Bereiche der Zollverwaltung nicht beeinträchtigt werden.
Die personelle Unterstützung wurde aus den folgenden Sachgebieten (SG) gewonnen:
Zollverwaltung Summe
Generalzolldirektion 14
Zollfahndungsämter (ZFÄ) 11
SG A / Allgemeine Verwaltung (Hauptzollämter (HZÄ)) 7
SG B / Abgabenerhebung (HZÄ) 14
SG C / Kontrollen (HZÄ) 61
SG D / Prüfungsdienst (HZÄ) 11
SG E / Prüfungen und Ermittlungen FKS (HZÄ) 64
SG F / Ahndung (HZÄ) 15
SG G / Vollstreckung und Verwertung (HZÄ) 12
Zollamt / Abfertigungsstelle 27
Summe 236
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25,713 |
29. Wann hat die FIU oder ein in die Aufarbeitung des Rückstaus einbezogener Dienstleister erstmals Kenntnis davon erlangt, dass die Zahl der nicht endbearbeiteten Verdachtsmeldungen oder der Verdachtsmeldungen mit unklarem (End-)Status mit 289 823 Fällen deutlich über der Zahl von 100 963 nicht endbearbeiteten Verdachtsmeldungen liegt, die den Mitgliedern des Finanzausschusses erstmalig per Schreiben des BMF vom 24. Oktober 2022 mitgeteilt wurden?
30. Wann wurde die Bundesregierung seitens der FIU oder seitens eines in die Aufarbeitung des Rückstaus einbezogenen Dienstleisters darüber informiert, dass die Zahl der nicht endbearbeiteten Verdachtsmeldungen oder der Verdachtsmeldungen mit unklarem (End-)Status mit 289 823 Fällen deutlich über der Zahl von 100 963 nicht endbearbeiteten Verdachtsmeldungen liegt (bitte taggenau angeben)?
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Die Fragen 29 und 30 werden zusammen beantwortet.
Nach Angaben der FIU erfolgt die Unterrichtung durch die FIU unverzüglich mit Kenntniserlangung am 30. Januar 2023, nachdem gemeinsam mit der bei der FIU gegenwärtig tätigen externen Beratung durch PwC die dazugehörige Bewertung taggleich abgeschlossen wurde.
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25,714 |
31. Wie hoch ist das zugehörige Transaktionsvolumen der insgesamt 289 823 Verdachtsmeldungen, die bei der FIU entweder als nicht endbearbeitet oder als mit unklarem (End-)Status identifiziert wurden, und wie hoch ist das Transaktionsvolumen derjenigen 58 288 Verdachtsmeldungen, die im Rahmen der Abarbeitung des Rückstaus vertieft analysiert werden sollten?
32. Wie verteilt sich das Transaktionsvolumen der insgesamt 289 823 Verdachtsmeldungen, die bei der FIU entweder als nicht endbearbeitet oder als mit unklarem (End-)Status identifiziert wurden, auf die einzelnen Jahre 2020, 2021 und 2022?
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Die Fragen 31 und 32 werden zusammen beantwortet.
Die Arbeitsstatistik enthält hierzu keine Angaben.
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25,715 |
33. Befinden sich unter den 289 823 entweder nicht endbearbeiteten Verdachtsmeldungen oder Verdachtsmeldungen mit unklarem (End-)Status nach Kenntnis der Bundesregierung auch Meldungen mit Bezug zu den in Anhang I der EU-Verordnung Nummer 269/2014 aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, und wenn ja, wie viele?
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Die FIU konnte bislang keine entsprechenden Verdachtsmeldungen feststellen.
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25,716 |
34. Wie viele der der insgesamt 289 823 Verdachtsmeldungen, die bei der FIU entweder als nicht endbearbeitet oder als mit unklarem (End-)Status identifiziert wurden, stehen in Zusammenhang mit Ländern, die von der FATF in Bezug auf Geldwäscherisiken entweder als Jurisdiktion mit hohem Risiko (sogenannte Black List) oder als Jurisdiktion, die unter verschärfter Beobachtung steht (sogenannte Grey List), genannt werden?
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Die Arbeitsstatistik enthält hierzu keine Angaben.
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267078
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25,717 |
35. Macht die Bundesregierung sich die Aussage der FIU zu eigen, dass es aufgrund der entstandenen Bearbeitungsrückstände nicht zu einer Schwächung der Geldwäschebekämpfung gekommen sei (vgl. die Antworten der Bundesregierung vom 7. Februar 2023 auf die Nachfragen des Abgeordneten Matthias Hauer auf Ausschussdrucksache 20(7)272)?
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Durch den umfassenden Aufklärungsprozess bei der FIU wurde erreicht, dass keine noch nicht ordnungsgemäß bearbeiteten Verdachtsmeldungen unentdeckt geblieben sind. Es wurden für den hier in Rede stehenden Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zur Umstellung auf das 2-Level-Modell (bis 20. November 2022) sämtliche im Informationspool der FIU befindlichen Verdachtsmeldungen berücksichtigt. Nach Mitteilung der FIU sind von den Bearbeitungsrückständen die Bereiche Staatsschutz und Terrorismusfinanzierung sowie die sogenannten Fristfälle (§ 46 GwG) nicht betroffen. Nach aktueller Erkenntnislage der FIU hat diese keinen Anlass anzunehmen, dass es aufgrund der entstandenen Bearbeitungsrückstände zu einer Schwächung der Geldwäschebekämpfung gekommen ist.
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25,718 |
36. Wie passt aus Sicht der Bundesregierung ihre eigene Aussage, dass sie mit entsprechenden Vorgaben absichern wird, dass Unterbrechungen des Bearbeitungsvorgangs zwischen dem Eingang einer Verdachtsmeldung und dem Beginn der Endbearbeitung künftig ausgeschlossen werden, zu ihrer Verlautbarung, dass das BMF im Rahmen seiner Rechtsaufsicht über die FIU keine steuernden Vorgaben machen dürfe, die die operative Analyse der FIU betreffen (vgl. die Schlussbewertung des BMF zu den Bearbeitungsrückständen bei der FIU im Bereich der operativen Analyse auf Ausschussdrucksache 20(7)0268)?
37. Durch welche konkreten Vorgaben, die nicht die Ausgestaltung der operativen Analyse betreffen, beabsichtigt die Bundesregierung abzusichern, dass es zu keiner Unterbrechung des Bearbeitungsvorgangs vom Eingang einer Verdachtsmeldung bis zum Beginn der Endbearbeitung kommt, und warum wird dies nicht bis zum Abschluss der Endbearbeitung abgesichert?
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Die Fragen 36 und 37 werden zusammen beantwortet.
Die Notwendigkeit einer zeitnahen Endbearbeitung von Verdachtsmeldungen folgt aus dem allgemeinen Grundsatz des zügigen Verwaltungshandelns, welcher der Analysepflicht der FIU (§ 28 Absatz 1 Satz 1 GwG) immanent ist. Um diesem Grundsatz hinreichend Rechnung zu tragen, hat das BMF die FIU im Wege der Rechtsaufsicht zur Vermeidung künftiger Bearbeitungsrückstände aufgefordert, sicherzustellen, dass eingehende gefilterte Verdachtsmeldungen tagesaktuell in die Endbearbeitung überführt werden. Damit wird auch dem Grundsatz des zügigen Verwaltungshandelns stärker Rechnung getragen, weil damit eine Fokussierung auf die Endbearbeitungsdauer erreicht wird, die letztlich für die Feststellung einer zeitgerechten operativen Analyse maßgeblich ist. Eine steuernde Vorgabe im Hinblick auf die konkrete Durchführung der operativen Analyse ist damit nicht verbunden.
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38. Warum empfiehlt der bei der FIU tätige externe Dienstleister nach Ansicht der Bundesregierung dort den Einsatz künstlicher Intelligenz (vgl. die Schlussbewertung des BMF zu den Bearbeitungsrückständen bei der FIU im Bereich der operativen Analyse auf Ausschussdrucksache 20(7)0268), wenn eine solche gemäß der Antwort auf die Schriftliche Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 20/5183 bereits „unmittelbar in die operativen Analyseprozesse implementiert“ ist?
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Die von PwC vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen enthalten insbesondere die Empfehlung, die bestehenden Filtermechanismen zu optimieren. Dies umfasst auch die Optimierung bereits bestehender Filtermechanismen, insbesondere den Einsatz von KI. Bei der KI-Komponente „FIU-Analytics“ handelt es sich um maschinelles Lernen. Diese KI wird bereits angewendet und unterstützt die Analystinnen und Analysten bei ihrer täglichen Arbeit.
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39. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Verdachtsmeldungen aufgrund der Löschfristen (von in der Regel drei Jahren) gelöscht wurden, obwohl sie bis dahin nicht endbearbeitet waren und/oder einen unklaren (End-)Status hatten, und wenn sie dies nicht ausschließen kann, hat die Bundesregierung um eine entsprechende Prüfung gebeten, oder beabsichtigt sie dies?
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Da die Bearbeitungsrückstände Verdachtsmeldungen umfassen, die beginnend ab Januar 2020 bis zur Umstellung auf das 2-Level-Modell (Stichtag: 21. November 2022) bei der FIU eingegangen sind, waren die vorgesehenen Lösch- fristen bei Bekanntwerden der Bearbeitungsrückstände noch nicht abgelaufen. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben (§ 39 GwG in Verbindung mit der zugehörigen Errichtungsanordnung) sind Verdachtsmeldungen, die ab dem Zeitpunkt ihres Eingangs binnen drei Jahren nicht an zuständige Behörden abgegeben wurden, zu löschen; Verdachtsmeldungen, die die Abgabevoraussetzungen ausgelöst haben, sind demgegenüber nach fünf Jahren zu löschen.
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40. Mit welchen Mehrkosten ist durch die Einbeziehung des externen Dienstleisters in die Aufarbeitung des Bearbeitungsrückstaus bei der FIU zu rechnen, die zusätzlich zu bestehenden Vereinbarungen zur Begleitung des sogenannten Transformationsprozesses der FIU anfallen?
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Die Aufarbeitung der Bearbeitungsrückstände ist vom Auftragsgegenstand generell umfasst. Angesichts des Umfangs der betreffenden Leistung ist eine Auftragserweiterung erfolgt, die insgesamt rund 482 000 Euro brutto zusätzlich auslöst.
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41. Welche Maßnahmen verfolgt die Bundesregierung, um die Qualität der bei der FIU eingehenden Verdachtsmeldungen zu erhöhen, und wie gedenkt sie insbesondere, die Handlungsempfehlung der FATF umzusetzen, dass Verpflichtete adäquate Rückmeldungen zu den von ihnen abgegebenen Verdachtsmeldungen erhalten sollen?
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Die FIU hat nach § 41 Absatz 2 Satz 1 GwG den nach dem GwG Verpflichteten in angemessener Zeit eine Rückmeldung zur Relevanz ihrer Meldungen zu geben. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, zielt die Regelung aus Praktikabilitätsgründen nicht darauf ab, dass die FIU qualitatives Feedback zu jeder einzelnen Meldung gibt. Sie hat insoweit einen Beurteilungsspielraum, ob und inwieweit eine Rückmeldung im konkreten Einzelfall sinnvoll ist (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung
und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen auf Bundestagsdrucksache 18/11555, S. 155).
Die FIU erstellt quartalsweise Rückmeldeberichte für die einzelnen Verpflichteten. Darüber hinaus gibt es auch individuelle Rückmeldungen, die direkt durch die Analystinnen und Analysten der operativen Analyse an die Verpflichteten (telefonisch) übermittelt werden. Das derzeitige Rückmeldekonzept wird aktuell grundlegend überprüft und langfristig durch IT-Unterstützung optimiert. Dabei wird aber auch zu berücksichtigen sein müssen, dass durch das Rückmeldeverhalten der FIU keine Beeinträchtigung der Strafverfolgung durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden hervorgerufen werden darf.
Darüber hinaus arbeitet die FIU gemeinsam mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aktuell im Rahmen einer Arbeitsgruppe im Expertenstab der Public Private Partnership „Anti Financial Crime Alliance“ (AFCA) an konkreten Hilfestellungen für die Verpflichteten mit, die zu Qualitätssteigerungen bei den Verdachtsmeldungen beitragen sollen. Unter anderem ist dabei vorgesehen, durch das Erarbeiten von Typologien zu nichtmeldepflichtigen Fallkonstellationen das Problem des „defensive reportings“ der Verpflichteten gezielt zu adressieren.
Ein fokussiertes Meldeverhalten wird außerdem dadurch erreicht, dass die FIU die Verpflichteten mittels verschiedener Maßnahmen hinsichtlich der Meldungsabgabe sensibilisiert. So finden regelmäßig Geldwäschetagungen sowohl für den Finanz- als auch für den Nichtfinanzsektor statt. Zusätzlich erstellt die FIU Typologiepapiere, die den Verpflichteten regelmäßig und zu unterschiedlichen relevanten Themen zur Verfügung gestellt werden.
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42. Worin liegen aus Sicht der Bundesregierung die Ursachen dafür, dass es zu dem erneuten Bearbeitungsrückstau bei der FIU kommen konnte, und welche Rolle spielen dabei die Entscheidungen innerhalb der FIU, die Steuerungen des Arbeitsaufkommens auf die Operativreferate zu delegieren und die Überführung von Verdachtsmeldungen in die vertiefte Analyse nach Maßgabe der jeweils aktuellen Kapazitäten in der Sachbearbeitung vorzunehmen?
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Nach der erfolgten Ursachenbetrachtung durch PwC und FIU kann als eine wesentliche Erkenntnis festgehalten werden, dass die Bearbeitungsrückstände aufgrund des mangelnden FIU-internen Controllings unerkannt geblieben sind, was letztlich ein zeitnahes Gegensteuern verhindert und den kontinuierlichen Aufbau über zwei Jahre ermöglicht hat. Dabei war letztlich die Entscheidung der Leitung der FIU, die „einhergehende Steuerung des Gesamtarbeitsaufkommens auf die jeweiligen Leitungen der Operativreferate mit ausschließlicher Zuständigkeit zu delegieren“, ursächlich für die eingetretenen Defizite. Konkret wurde den zuständigen Referatsleitungen der Operativreferate (Geldwäsche) die Aufgabe übertragen, die in Rede stehenden Verdachtsmeldungen zur weiteren Bearbeitung an die Analystinnen und Analysten zuzuweisen. Die Zuweisung der in Rede stehenden Verdachtsmeldungen zur weiteren Bearbeitung an die Analystinnen und Analysten ist dabei ohne ein FIU-internes Controlling über den Bearbeitungsfortschritt erfolgt. Diese „Freiheit“ der Operativreferate sollte nach Auffassung der Leitung der FIU die Flexibilität erhöhen. Die Überführung in die vertiefte Analyse haben die Operativreferate nicht in jedem Fall, sondern im Rahmen der dortigen Priorisierung und ausschließlich nach Maßgabe der aktuell verfügbaren Kapazitäten in der Sachbearbeitung vorgenommen. Seitens der Operativreferate wurde dabei von der internen Handlungsanweisung abgewichen.
Als weitere Erkenntnis kann festgehalten werden, dass in der Verantwortung der Operativreferate Verdachtsmeldungen zum Teil nicht mit einer formalen Kennzeichnung versehen wurden oder nicht mit einem Risikoprofil als erste inhaltliche Bewertung versehen wurden, was zur Folge hatte, dass sich diese Verdachtsmeldungen dann mit „einem unklaren (End-)Status“ im Informationspool befanden. Auch diese Defizite waren ursächlich für das Entstehen der Bearbeitungsrückstände.
Als weitere Ursachen für das Entstehen der Bearbeitungsrückstände wurden durch PwC und FIU insbesondere der starke Anstieg des Meldeaufkommens, die ineffizienten Filtermechanismen und die Defizite bei goAML als Ursachen benannt. Darüber hinaus hat die FIU auch den besonderen Anstieg bei den Fristfällen und die besonderen Belastungen während der COVID-19-Pandemie als schwierige „Umfeldbedingungen“ ausgemacht. Diese Ursachen sind für sich gesehen zutreffend, können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass gegebenenfalls erforderliche Gegenmaßnahmen deshalb unterblieben sind, weil das Ausmaß der damit verbundenen Bearbeitungsrückstände unerkannt geblieben ist.
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43. Nach welchen Priorisierungskriterien, neben der Abhängigkeit von Kapazitäten in der Sachbearbeitung, wurden bei der FIU die Überführungsentscheidungen von Verdachtsmeldungen in die vertiefte Analyse getroffen, und wie wurden diejenigen Meldungen gekennzeichnet, für die die Priorisierung nach Maßgabe der jeweils aktuellen Kapazität in der Sachbearbeitung dazu führte, dass sie zunächst nicht in die vertiefte Analyse überführt wurden?
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Eine Beantwortung muss aus Gründen der öffentlichen Sicherheit unterbleiben. Durch die Beantwortung der Frage würden spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur Methodik der FIU, offengelegt und detaillierte Einblicke zur Ausgestaltung und Durchführung der operativen Analyse ermöglicht. Eine solche Auskunft könnte zur Entwicklung entsprechender Abwehrstrategien führen und somit die Erkenntnisgewinnung der FIU erschweren oder in Einzelfällen sogar unmöglich machen. Dadurch würde die Funktionsfähigkeit der FIU, die zur Sicherheitsarchitektur des Bundes gehört und Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wie die der Nachrichtendienste des Bundes wahrnimmt, nachhaltig beeinträchtigt. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der FIU sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt zudem, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre. Im Hinblick auf eine effektive Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens wegen der Gefahren für das Staatswohl nicht hingenommen werden kann.
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