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Abegg, Bernhard (Franz Bernhard): Landvogt. ⚭ Maria Helene von Holzingen, liess am 10.12.1686 in Schaan eine Tochter Maria Anna taufen, wobei Graf Jakob Hannibal III. von Hohenems Pate war. 1692 Landschreiber und 1695–97 Landvogt zu Vaduz.
Abfall: Abfälle sind bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigt oder deren Entsorgung im öffentlichen Interesse geboten ist. Fester Abfall entstand in der vorindustriellen Zeit v.a. in der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelproduktion (z.B. Metzgerei), im Handwerk und im Haushalt (Küchenabfall, Fäkalien usw.). Er wurde soweit möglich wiederverwertet, organischer Abfall v.a. als Schweinefutter und Dünger, oder er gelangte in Erdgruben. Eine frühe Abfallgrube fand sich in der römischen Villa in Nendeln (2./3. Jahrhundert n.Chr.). Abortgruben blieben bis zum Aufbau der Kanalisation ab den 1950er Jahren üblich (→ Abwasser). Auf die Weiterverwendung häuslicher oder gewerblicher Altstoffe spezialisierte Gewerbe waren das Aschensammeln, Lumpensammeln, Flickschustern usw.
Tierkadaver verscharrte der Abdecker (Wasenmeister, Schinder) auf sogenannten Wasenplätzen; daran erinnern Flurnamen wie Schinderplatz und Kogawinkel. Die Wasenordnung von 1873 verpflichtete die Gemeinden zur Einrichtung von Wasenplätzen und regelte die Kadaverentsorgung. In den 1920er bis 1940er Jahren fielen jährlich 40–80 Kadaver an, in den 1950er Jahren noch 5–20. Ab 1961 wurden sie in der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) Buchs (SG) entsorgt, seit den 1980er Jahren in Schweizer Spezialanlagen.
Mit der Industrialisierung und den neuen Konsumgütern wuchs besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Menge neuer Abfälle (Kunststoffe, Elektroschrott usw.). Sie wurden auf «wilden» Müllhalden und kommunalen Kehrichtdeponien verbrannt oder abgelagert. Diese befanden sich wie die alten Wasenplätze oft in Rhein- oder Rüfennähe; 1955–75 entstanden am Rhein zwölf Deponien für Abfall jeder Art, die mittlerweile geschlossen sind. Neben Hausmüll und Bauschutt gelangte seit den 1950er Jahren gefährlicher Abfall (Sonderabfall) aus Industrie und Gewerbe auf die Deponien, die heute auf ihr Gefährdungspotenzial für Wasser und Boden zu untersuchen und gegebenenfalls als Altlasten zu sanieren sind. Zur Abfallverwertung entwickelten sich neue Gewerbe, so besonders eine 1945 von Josef Elkuch (1922–2007) in Schellenberg gegründete Schrotthandlung (seit 1952 in Eschen), die ab 1957 über eine Auto-Paketierpresse verfügte.
Seit 1961 wird der Siedlungsabfall in der KVA Buchs verbrannt. Deren Träger ist der «Verein für Abfallentsorgung», dem die liechtensteinischen Gemeinden als Gründungsmitglieder angehören (Mauren trat erst 1974 bei). 1961 wurde auch die in einigen Gemeinden behelfsmässig bestehende Müllabfuhr als Gemeinschaftsunternehmen eingeführt. Im Zug des wachsenden Umweltbewusstseins verpflichteten sich Land und Gemeinden 1990 in einem Abfallleitbild auf Grundsätze der Vermeidung, Verwertung und umweltgerechten Beseitigung des Abfalls. Die Gemeinden betreiben Deponien für Aushub und Bauschutt, Kompostplätze und Sammelstellen für Papier, Glas, Aluminium, Weissblech, Metalle, Batterien usw., die getrennt gesammelt der Wiederverwertung (Recycling) zugeführt werden. Seit 1988 wird Grünabfall aus Haushalten separat gesammelt und bei der KVA Buchs kompostiert. Das mit der Kehrichtsackgebühr 1994 eingeführte Verursacherprinzip bildet einen Anreiz zur Abfallvermeidung. Weitere marktwirtschaftliche Instrumente sind vorgezogene Entsorgungsgebühren auf Elektronikgeräten, Kühlschränken, Batterien und gewissen Getränkeverpackungen und die Rücknahmepflicht der Wirtschaftsakteure. Zur Entsorgung von reaktivem Abfall besteht seit 2002 ein Vertrag der Gemeinden mit dem «Zweckverband Kehrichtverwertung Rheintal» zur Mitbenutzung der Deponie Lienz/Oberbüchel (SG).
Die mit der Abfallentsorgung verbundenen Probleme schlugen sich seit den 1860er Jahren in spezifischen rechtlichen Erlassen nieder. Eine generelle Regelung der Ablagerung von Stoffen brachte das Gewässerschutzgesetz von 1957, auf das spezielle Vorschriften zur Beseitigung von Mineralöl und mineralölhaltigem Abfall (1972), zur Abfallverbrennung im Freien (1974), zur Beseitigung von Altfahrzeugen und Schrott (1975) und zur Abwasser- und Abfallbeseitigung (1977) folgten. 1988 regelte ein Abfallgesetz die Materie umfassend. Darauf gestützt wurden u.a. Verordnungen zu Verpackungen (1997) und Altfahrzeugen (2004) erlassen. Aufgrund des Zollvertrags mit der Schweiz finden zusätzlich schweizerische Rechtserlasse Anwendung, besonders zum Transport von Abfall; 1991 trat Liechtenstein dem Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung bei.
Der Siedlungsabfall wird für die 1930er Jahre auf jährlich etwa 150 kg pro Person geschätzt. Während des Zweiten Weltkriegs fiel dieser Wert auf unter 100 kg, stieg dann stetig auf über 360 kg Anfang der 1990er Jahre und sank seither auf etwa 230 kg (2005). Von den 2005 rund 12 000 Tonnen an die KVA Buchs gelieferten festen Abfallstoffen entfielen 67 % auf Siedlungs-, 19 % auf Industrie-, 13 % auf Grün- und der Rest auf Metzgereiabfälle; dazu kamen über 5,5 Tonnen Sonderabfälle (v.a. Verbrennungsrückstände, Schlacke, Ölschlämme).
Ablass: Der Ablass als Erlass von zeitlichen Strafen für bereits vergebene Sünden ist eine Neubildung der abendländischen Kirche des Mittelalters. Er entstand vom 6. bis 10. Jahrhundert im Übergang von der altkirchlichen öffentlichen Busse zur sakramentalen Privatbeichte. Erstere verlangte vor der Absolution die Erfüllung je nach Sünde genau festgelegter Busswerke, bei der Privatbeichte wurden sie nachträglich verrichtet. Dabei gab es neben den aus der alten Kirche überkommenen Fürbitten der Gemeinde und des Amtsträgers für den Büssenden den Ersatz durch andere Werke oder die Ableistung eines Teils der Busse durch einen Stellvertreter. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts kam es zum vollkommenen Ablass (völliger Straferlass) gegenüber dem unvollkommenen Ablass (von Tagen, Monaten oder Jahren). Der Ablass wurde aus dem Kirchenschatz unter der Bedingung gewährt, dass bestimmte Gebete, Wallfahrten, Beiträge an den Kirchenbau oder andere fromme Leistungen erbracht wurden. Im 13. Jahrhundert wurde der Ablassgewinn für Verstorbene üblich. Im 16. Jahrhundert wurde der Ablassstreit u.a. wegen des fiskalischen Missbrauchs, ursprünglich schon im 11. Jahrhundert als Almosen gedacht, zu einem Hauptpunkt der reformatorischen Kritik. Der Ablass spielte vom Spätmittelalter bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts eine grosse Rolle in der katholischen Frömmigkeit.
Erstmals im 11. Jahrhundert verliehen südfranzösische und nordspanische Bischöfe Ablassbriefe. Solche sind ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert auch in Liechtenstein belegt.
Abolition: Abolition bedeutet die Befugnis des Staatsoberhauptes, ein eröffnetes Strafuntersuchungsverfahren der Justiz gegen den Beschuldigten einstellen zu lassen, d.h. niederzuschlagen. In Liechtenstein steht die Abolition dem Fürsten zu. Es handelt sich um eine ursprünglich absolutistische Kompetenz der Monarchen, die im 19. Jahrhundert durch die Amtsinstruktion zur Konstitutionellen Verfassung von 1862 Eingang in die liechtensteinische Rechtsordnung fand. Sie wurde in die Verfassung von 1921 überführt (Art. 12) und ist heute in der Strafprozessordnung geregelt. Die Fürsten haben von der Abolition mehrfach Gebrauch gemacht, so zuletzt 1987, als der damalige Erbprinz Hans-Adam eine Strafuntersuchung gegen den Diners Club wegen Übertretung des Wappengesetzes niederschlug. Die Abolition wirkt auf die Justiz ein, berührt ihre Unabhängigkeit und die gleichmässige Anwendung der Gesetze. Sie darf nur äusserst zurückhaltend angewandt werden.
Absolutismus: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchlicher Begriff der politisch-historischen Sprache (vereinzelt im englischen und französischen Sprachgebrauch auch früher feststellbar) zur Bezeichnung einer an sich älteren, für die europäische Neuzeit charakteristischen Form der Monarchie, in welcher der Monarch die alleinige Herrschaftsgewalt – unter Ausschaltung autonomer Körperschaften (Stände) – beansprucht und durchsetzt. Der Begriff wird des Weiteren auch als Epochenbezeichnung für die Zeit zwischen dem Ende des Dreissigjährigen Kriegs (1648) und der Französischen Revolution (1789) verwendet, in welcher Formen des Absolutismus besonders stark ausgeprägt waren. Da sich aber nirgendwo in Europa Absolutismus in idealtypischer Form findet, wird der Begriff (v.a. als Epochenbezeichnung) durch die neuere historische Forschung z.T. infrage gestellt.
Im Rechtsbereich des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation konnte wegen der dualistischen Reichsverfassung, welche den Kaiser an die Zustimmung der Reichsstände band, monarchischer Absolutismus weder entstehen noch durchgesetzt werden. Absolutistische Bestrebungen der Fürsten verlagerten sich daher auf die Ebene der (Erb-)Länder, wo ihnen seit dem Westfälischen Frieden (1648) zwar nicht uneingeschränkte Souveränität, aber «Landeshoheit» zustand.
In Liechtenstein setzten die regierenden Fürsten im 18. Jahrhundert durch die schrittweise Reduzierung traditioneller Volksrechte (administrativ-territoriale Neuordnung, Ausbau der obrigkeitlichen Rechte durch das landesfürstliche Oberamt, Reduzierung der Landammannverfassung) Frühformen absolutistischer Herrschaft durch. Der entscheidende absolutistische «Umsturz» (Malin) vollzog sich allerdings erst – auf der Grundlage der 1806 errungenen Souveränität – durch die Dienstinstruktionen von 1808. Als Mitglied des Deutschen Bunds erhielt Liechtenstein 1818 eine landständische Verfassung aufoktroyiert, die noch weitgehend auf dem Boden des Absolutismus stand und dem Landtag weder Mitwirkung an der Gesetzgebung noch Kontrolle über die Verwaltung einräumte. Die Revolution 1848 führte bereits in den Jahren 1849–52 durch eine provisorische Verfassung, die konstitutionelle Verfassung von 1862 dann endgültig zur parlamentarischen Verfassungsform und damit zur Beschneidung des fürstlichen Absolutismus.
Absteigequartier: 1890–1892 errichtete fürstliche Villa im Schlosswald, Gemeinde Vaduz, 612 m ü.M., südöstlich oberhalb des damals unbewohnbaren Schlosses Vaduz. Das Absteigequartier diente dem Fürsten Johann II. bei Aufenthalten in Liechtenstein bis zur Restaurierung des Schlosses Vaduz (1904–1914) als Absteige und zur Unterbringung von Jagdgästen. Später fürstliches Gäste- und Personalwohnhaus.
Entworfen von Architekt Ignaz Bankó in Anlehnung an die Wiener «cottage-Bewegung»: unregelmässiger Grundriss und «englisches» Raumkonzept, Satteldach mit ostseitigem Kreuzgiebel und westseitig zwei Risaliten mit Runderkerfenstern und Quergiebel, Fassade in Tuffsteinmauerwerk, teilweise als Holzfachwerk mit Zierelementen und Tuffsteinausfachung. 1980 Umbau für Wohnzwecke mit massivem Eingriff in die Grundrissstruktur, südlicher Terrassenanbau.
Im Absteigequartier wurden vom 10.–15.9.1920 die Schlossabmachungen ausgehandelt. Sie legten die Basis für die neue liechtensteinische Verfassung, deren Unterzeichnung durch Prinz Karl von Liechtenstein und Josef Ospelt am 5.10.1921 ebenfalls im Absteigequartier stattfand.
Abundi (Ambundii), Johannes: Bischof. * um 1365 Schwaan (Mecklenburg), † 16.6.1424 Ronneburg (Rauna, Lettland), // Dom zu Riga (Lettland). Studium in Prag, 1403 als Dr. decretorum, 1409 als Dr. theol. bezeugt, 1394–99 Generalvikar des Bischofs von Bamberg, zugleich des Bischofs von Speyer, 1401–08 des Bischofs von Würzburg, hier beteiligt an der Gründung der Universität und Prof. Inhaber diverser Pfründen, 1414 als Prokurator der Bischöfe von Eichstätt und Würzburg auf dem Konzil von Konstanz, wo er 1415 als Anwalt und 1416 als Präsident der deutschen Nation grosse Bedeutung gewann. 1416–18 Bischof von Chur (Inbesitznahme des Bistums am 6.4.1417), hielt sich jedoch meist in der Konzilsstadt auf. 1418–24 Erzbischof von Riga. 1415 bestätigte Abundi einen am Konzil von Konstanz von sechs Bischöfen gewährten Ablass zugunsten von Wohltätern der Kapelle St. Maria in Triesen und fügte selbst für diese einen Ablass von 40 Tagen bei. Am 7.4.1417 verlieh er Hans von Richenstein den Zehnten in Triesen.
Abwasser: Abwasser ist das durch häuslichen, gewerblichen oder industriellen Gebrauch verschmutzte und das der Beseitigung von Fäkalien dienende Wasser sowie das Meteorwasser.
In Liechtenstein sind frühe Abwasserableitungen in der römischen Villa Nendeln (2./3. Jahrhundert n.Chr.) und im römischen Kastell Schaan (4. Jahrhundert n.Chr.) nachgewiesen. In Letzterem führte ein Abwasserkanal das durch zwei Gullys aufgenommene Abwasser aus der Badeanlage ins Freie.
Während Jahrhunderten wurden die in den Aborten (sogenannten Plumpsklos) anfallenden Fäkalien aufgefangen und als Dünger verwendet. Der Überlauf der bis weit ins 20. Jahrhundert der Zurückhaltung der Feststoffe dienenden Faulgruben (Hausklärgruben) versickerte oder wurde in offene Gewässer eingeleitet. Zu lokalen Gewässerverunreinigungen trugen auch Abwässer der frühneuzeitlichen Gewerbebetriebe (besonders im Gerbereigewerbe) und ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Fabriken bei; industrielles Abwasser schädigte z.B. in den 1890er Jahren die Fischfauna in der Esche. Im 19. Jahrhundert begann man, die Zusammenhänge zwischen Hygiene und Krankheiten zu erkennen. Viele Fliessgewässer wurden aus hygienischen Gründen und wegen des üblen Geruchs eingedolt. Die Kanalisierung in den Siedlungen verschob die Probleme aber nur zu den Gewässern.
Das Bevölkerungswachstum, die Industrialisierung und der Aufbau der zentralen Wasserversorgung mit Hausanschlüssen und Spülklosetts etc. ohne entsprechende Abwassersysteme sowie die landwirtschaftliche Düngung führten im 20. Jahrhundert zu bedenklichen Zuständen. Um diese in den Griff zu bekommen, wurde 1957 ein Gewässerschutzgesetz erlassen, das die Abwasserentsorgung den Gemeinden übertrug; der Staat entrichtete Subventionen für die Anlage von Kanalisationen und Kläranlagen. 1959 folgte die Schaffung des Gewässerschutzamts.
Vorerst erstellten die Gemeinden generelle Kanalisationsprojekte, das erste 1948 in Vaduz. 1956–59 entstand der mechanische und 1969 der biologische Teil der Kläranlage Vaduz, welcher 1966 das Kanalnetz der Gemeinde Triesen und 1967 jenes der Gemeinde Triesenberg angeschlossen wurden. Es folgten lokale Abwasserreinigungsanlagen (ARA) für das Feriengebiet Malbun (1967), das Alphotel «Gaflei», die Gemeinde Balzers (1974) und verschiedene Industriebetriebe. Trotz der punktuellen Anstrengungen war in den 1960er–70er Jahren der Zustand der liechtensteinischen Gewässer katastrophal. Durch Abwassereinleitungen waren die Esche auf Teilstrecken und der Speckigraben vollständig tote Gewässer. Fische aus dem Binnenkanal waren erst nach wochenlangem Wässern geniessbar.
1971 erfolgte die Gründung des «Abwasserzweckverbandes Liechtensteiner Unterland und Schaan» (AZV). Er realisierte Sammelkanäle von Schaan, Mauren und Ruggell nach Bendern und nahm 1976 die ARA Bendern in Betrieb. 1981 trat die Gemeinde Planken dem AZV bei, 1996 folgten Vaduz, Triesen und Triesenberg und 2000 Balzers. Nach dem Bau des Sammelkanals Vaduz–Bendern wurde 2000–05 die ARA Bendern für ganz Liechtenstein erweitert. Dort werden seither alle liechtensteinischen Abwässer gereinigt (mit Ausnahme von Hinterschellenberg); die lokalen Kläranlagen sind nicht mehr in Betrieb. Der AZV erhielt im Jahr 2000 den Namen «Abwasserzweckverband der Gemeinden Liechtensteins». Die 1982 erstellte ARA Hinterschellenberg wurde 1999 zu einem Pumpwerk umgebaut, welches das Abwasser von Hinterschellenberg und Fresch (Vorarlberg) zur ARA Meiningen in Vorarlberg befördert. 2005 wurden in der ARA Bendern ca. 9 Mio. m Abwässer gereinigt, wovon 5,5 Mio. m von Haushalten, Gewerbe und Industrie stammten, 2,5 Mio. m waren Regenwasser und 1,0 Mio. m Fremdwasser.
Die anfänglich im Vordergrund stehenden ästhetischen Aspekte der Gewässerverschmutzung wurden mit der mechanischen Klärung des Abwassers weitgehend behoben. Im geklärten Abwasser gelöste Inhaltsstoffe führten aber zu Sauerstoffmangel in den Gewässern und in der Folge zu Fischsterben. Abhilfe schuf die biologische Reinigung (Abbau der Kohlenstoffverbindungen) als 2. Reinigungsstufe. Der trotzdem fortschreitenden Zunahme von Nährstoffen (Eutrophierung) wurde in den frühen 1970er Jahren durch die Phosphatfällung der 3. Reinigungsstufe begegnet. Heute wird die Abwasserreinigung durch den Abbau der Stickstoffverbindungen sowie die bessere Zurückhaltung der Schwebstoffe mittels Filtern ergänzt. Das gereinigte Abwasser wird direkt dem Rhein zugeleitet. Der Klärschlamm diente bis vor wenigen Jahren als Dünger für die Landwirtschaft, seither als Brennstoff in Zementfabriken.
Abzugs- und Einzugsrecht: Das Abzugs- und Einzugsrecht regelte die Bedingungen, unter denen die Herrschaft einem Fremden bzw. einem Untertanen die freie Wohnsitznahme zugestand. Dem in eine Grund- oder Leibherrschaft eingebundenen mittelalterlichen Menschen blieb die Freizügigkeit grundsätzlich verwehrt. Zunehmende Mobilität und krisenbedingte Migration führten jedoch zu Lockerungen des ursprünglich rigide gehandhabten Abzugs- und Einzugsrechts. Bis ins 16. Jahrhundert reduzierte es sich auf eine Einkaufs- bzw. Abgabepflicht.
Gemäss einer Verordnung Graf Rudolfs von Sulz von 1513 betrug die Einkaufsgebühr für einen aus der Herrschaft Schellenberg in die Grafschaft Vaduz Einziehenden 8 Gulden und ging je zur Hälfte an den Landesherrn und die jeweilige Nachbarschaft. Jeder aus der Genossenschaft Abziehende musste dieser den 30. Teil seines verkauften Gutes bezahlen. Im gleichen Jahr ermöglichte ein zwischen Kaiser Maximilian und Rudolf von Sulz geschlossener Vertrag den freien Abzug aus der Herrschaft Schellenberg in die Grafschaft Feldkirch und die Gerichte Rankweil und Sulz. Auch zwischen den Gemeinden herrschte hinsichtlich der Ein- und Abzugsgebühren Regelungsbedarf; 1605 z.B. wurde die hälftige Aufteilung zwischen Vaduz/Schaan und Planken festgelegt. Die Walser am Triesenberg mussten bei der Übersiedlung in eine Talgemeinde Ein- und Abzugsgebühren entrichten, beim Wegzug in eine andere Herrschaft aber entfiel das Abzugsgeld (Urbar von 1609). Im Sulzisch-Hohenemsischen Urbar (1617/19) und im Schellenberger Urbar (1698) war das Abzugs- und Einzugsrecht wieder einheitlich geregelt: In der Grafschaft Vaduz bzw. in der Herrschaft Schellenberg war beim Wegzug eine Vermögensabgabe von 10 % an die Obrigkeit und von 5 % an die jeweilige Gemeinde zu entrichten; die Höhe der Einzugsgebühren wurde nicht festgelegt.
Mit der formalen Aufhebung der Leibeigenschaft 1808 gelangte das Prinzip der Niederlassungsfreiheit zum Durchbruch. Das Abzugsgeld in Form der mittelalterlichen Nachsteuer und die Manumissionsgebühr für die Entlassung aus der Leibeigenschaft wurden abgeschafft, die sogenannte Emigrationstaxe zur Erschwerung der Auswanderung dagegen wurde beibehalten. Durch die fürstliche Verordnung von 1810, die innerhalb des Landes Freizügigkeit vorschrieb, wurden die unter den Gemeinden vereinbarten Abmachungen über die Ein- und Abzugsgebühren aufgehoben. Schliesslich fiel 1848 auch die Emigrationstaxe dahin.
Adel: Das Wort Adel ist vom althochdeutschen (Erbhof) abgeleitet. In zahlreichen Kulturen ist die Aussonderung erblich bevorrechteter Familien zu beobachten, die einen eigenen Adelsstand bilden. Im Frankenreich und in dessen Nachfolgestaaten verkörperte der Adel in seiner Gesamtheit Staatsvolk und Reich und erhob aus seinen Reihen den König, der seinerseits über die von ihm verliehenen Ämter die Rangfolge innerhalb des Adels beeinflusste. Bis ins 10./11. Jahrhundert dominierten beim Adel die kognatischen, d.h. durch Heiratsverbindungen hergestellten Sippenbindungen. Mit dem Bau namensgebender Burgen als fester Herrschaftssitze setzten sich die agnatischen Bindungen, d.h. die Abfolge von Generationen in männlicher Linie, durch. Neben den alten, durch edelfreie Geburt gekennzeichneten Adel trat seit dem 11. Jahrhundert der Dienstadel (→ Ministerialität und → Rittertum), der sich zum Grossteil aus unfreien Eigenleuten rekrutierte und erst im 13. Jahrhundert die persönliche Freiheit erlangte.
Das Gebiet Liechtensteins gehörte zu der 806 errichteten Grafschaft Rätien (später Unterrätien), die von den gräflichen Sippen der Hunfridinger und dann der Udalrichinger (9./10. Jahrhundert) verwaltet wurde. Mit Graf Rudolf erloschen 1150 die Grafen von Bregenz, ein Zweig der Udalrichinger. Pfalzgraf Hugo von Tübingen, der mit Rudolfs Tochter Elisabeth verheiratet war, übernahm einen Grossteil des Erbes. Von seinem Sohn Hugo stammen die Grafen von Montfort und von Werdenberg ab.
Die Grafen von Werdenberg-Sargans-Vaduz und nach ihnen die Freiherren von Brandis und die Grafen von Sulz strebten danach, im Gebiet Liechtensteins eine Landesherrschaft zu errichten; von besonderer Bedeutung waren hierbei die Regalien und die Brandisischen Freiheiten sowie die Durchsetzung von Landsteuer und Umgeld. Obwohl sie sich gelegentlich als Landesherren bezeichneten und mit dem Landsbrauch auch ein eigenes Recht schufen, kam es nicht zur Bildung eines Landes aus ihren Herrschaften. Wie die ihnen nachfolgenden Grafen von Hohenems lehnten sie sich zumeist an die sich seit dem 14. Jahrhundert im Alpenrheintal festsetzenden Habsburger an.
Die Fürsten von Liechtenstein, die 1699 die Herrschaft Schellenberg und 1712 die Grafschaft Vaduz erwarben, bildeten daraus das nach ihnen benannte Fürstentum, mit dem sie Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat erhielten. Der von ihnen durchgesetzte fürstliche Absolutismus erhielt mit der Erlangung der Souveränität 1806 weiteren Auftrieb. Erst die konstitutionelle Verfassung von 1862 brachte mit dem Landtag die Beteiligung des Volks an einzelnen Staatsaufgaben. Im Hausgesetz von 1993 lebt die im Spätmittelalter entstandene Idee eines sich selbst, einer guten Regierung und der christlichen Religion verpflichteten Hochadelsgeschlechtes weiter.
Aff, Claus: Landammann. Erwähnt 1408 und 1421, von Bendern. ⚭ Adelheid. Aff siegelte 1408 als Landammann am Eschnerberg einen Kaufbrief in Feldkirch. 1421 verkaufte er seine Rechte an einer Wiese in Ruggell.
Agrarverfassung: Unter Agrarverfassung versteht man die Gesamtheit der Organisationsprinzipien zur Umweltnutzung und Lebensweise von landwirtschaftlich geprägten Kulturen bzw. der Landwirtschaft in nicht mehr landwirtschaftlich geprägten Kulturen. Unterscheiden lassen sich für Mitteleuropa drei Grundperioden: Die Agrarverfassung der einfachen Bauerngesellschaft vor dem hochmittelalterlichen Landesausbau, die vom 12. bis zum 19. Jahrhundert vorherrschende komplexere herrschaftlich-genossenschaftlich Agrarverfassung sowie die Agrarverfassung der nachfolgenden Industriekultur, in der die Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung einbüsste.
Über die erste Phase sind die Informationen zum Gebiet Liechtensteins dürftig. Grundsätzlich ist für den mitteleuropäischen Raum von Spielarten des Wanderfeldbaus mit Brandrodung und nomadischer Weidewirtschaft sowie einer noch starken Bedeutung des Jagens und Sammelns auszugehen. In der römischen Epoche (15 v.Chr. bis Ende des 5. Jahrhunderts n.Chr.) gelangten ansatzweise Einflüsse der höher entwickelten mediterranen Agrarkultur in den liechtensteinischen Raum, die sich in Spuren einzelner römischer Villen (Landgüter) niedergeschlagen haben. Der demografisch-kulturelle Zusammenbruch der Mittelmeerantike im 6.–8. Jahrhundert, u.a. hervorgerufen durch die Justinianische Pest, beseitigte dann auch in Liechtenstein wieder alle Ansätze höherer Agrarkultur.
Seit dem 11. Jahrhundert wurde die ursprünglich durch unwegsames Waldgelände geprägte Landschaft Mitteleuropas mittels Rodungen systematisch durch eine agrarische Kulturlandschaft ersetzt. Zu den auslösenden Faktoren dieses meist als Landesausbau bezeichneten Prozesses gehörte eine ausgesprochene klimatische Gunstphase (→ Klima). Diese setzte eine Entwicklung in Gang, in der sich die Erschliessung neuer Nahrungsspielräume und ein starkes Bevölkerungswachstum wechselseitig vorantrieben. Träger der Rodungsbewegung waren Adelsgeschlechter und Klöster, für welche die hoheitliche Inbesitznahme von Waldland zur Rodung und bäuerlichen Besiedlung eine attraktive Methode darstellte, um Herrschafts- und Gerichtsbezirke zu errichten. In diesen Herrschafts- und Gerichtsbezirken waren eine Anzahl bäuerlicher Nachbarschaften einem konkreten Herrschaftszentrum, meist einer Burg, zugeordnet. Zum Ausklang kam der Wachstumsprozess mit der Erreichung der ökologischen Tragfähigkeitsgrenzen um 1300. Seither lag eine Kernfunktion der Agrarverfassung darin, auf lokaler Ebene eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen über die Generationen hinweg zu gewährleisten.
An den Landnutzungsrechten einer konkreten Hofstelle hatten drei Instanzen Anteil: Erstens bestand ein herrschaftliches Obereigentum der die Herrschaftsrechte innehabenden Adelsgeschlechter. Dieses ermöglichte ihnen sowohl die Ausübung obrigkeitlicher Funktionen wie auch eine Mitberechtigung an der Nutzung der natürlichen Ressourcen. Eine solche Mitberechtigung konnte auch Klöstern zustehen (→ Grundherrschaft). Eine weitere Instanz war die als Genossenschaft fungierende Gemeinde mit ihrem genossenschaftlichen Gesamteigentum, der Allmende. Schliesslich waren auch die Interessen der Familie und der Verwandtschaft zu berücksichtigen. Alle drei Instanzen besassen eine Vetomacht gegenüber Verkäufen und anderen grundlegenden Veränderungen der Eigentumsverhältnisse durch den Hofinhaber. Bei Entscheidungen in Nutzungsfragen war die Gemeinde die wichtigste Instanz. Die Inhaber der Herrschaftsrechte traten v.a. als Empfänger von Abgaben und Diensten (→ Feudallasten, → Fronen, → Zehnt) im Gegenzug für Schutz- und Schirmpflichten hervor. Typische schriftliche Quellen für diese Agrarverfassung sind im Allgemeinen Urbare, Weistümer und Polizeiordnungen sowie im Speziellen Alprechte, Waldordnungen, Weinbauordnungen, Gemeindeordnungen und Gerichtsurteile, doch war vieles auch nicht aufgezeichnetes Gewohnheitsrecht.
Die Agrarverfassung organisierte fünf überlebensnotwendige Teilökosysteme: 1. den Wald als Brenn- und Bauholzspeicher, 2. die Weide für die Fleisch- und Milchproduktion (→ Rindviehhaltung), 3. das Wiesland als Produktionsfläche für das Überwinterungsviehfutter, 4. die Feldmark als Anbaufläche des Hauptnahrungsmittels Brotgetreide sowie 5. die Gärten als Anbauflächen pflanzlicher Sonderkulturen wie Obst und Gemüse, aber auch Reben (→ Weinbau). Wald und Weide waren kollektiv genutzte Gesamtflächen, die übrigen Teilökosysteme hingegen in Parzellen der Haushalte untergliedert.
Seit der geografische Raum lückenlos von Herrschafts- und Nutzungsrechten erfasst war und damit die Möglichkeit der Gewinnung neuer Flächen entfiel, bestand ein Zwang, die fünf Teilökosysteme im Verhältnis zueinander zu optimieren. Dazu gehörte erstens die Strategie, den Versorgungswald auf die anders nicht nutzbaren Steilhanglagen und auf die Überschwemmungszonen des Rheins zu konzentrieren. Charakteristisch war zweitens der Umstand, dass ein und dieselbe Fläche jeweils mehrfach genutzt wurde; etwa diente das Waldareal als Holzlieferant und zugleich als Weide. Drittens war das Prinzip der Flächenrotation grundlegend, d.h. die unterschiedlichen Nutzungen von Flächen erfolgten in wiederkehrender Abfolge in regelmässigen zeitlichen Abständen. Die Alpwirtschaft kann als jahreszeitliches Rotationssystem über mehrere Höhenstufen bezeichnet werden. Alle zwei bis drei Jahre wechselten sich Feld- und Weidewirtschaft ab. Ein solcher Wechsel vollzog sich auch innerhalb eines Jahres, indem im Rahmen des Atzungsrechts die den einzelnen Haushalten zugeordneten Anbauflächen am Beginn und am Ende der jährlichen Vegetationszeit als Kollektivweide genutzt wurden. Längerfristige Variabilitäten ergaben sich insofern, als die Gemeinde ausgelaugte Anbauflächen in den kollektiven Weidebereich zurücknahm, wofür den betreffenden Gemeindemitgliedern an anderen Orten «Gemeindsteilungen» zu Anbauzwecken zugewiesen wurden. Viertens wurde eine systematische Mengensteuerung des Umweltkonsums praktiziert. Zum Beispiel wurden Obergrenzen für die Holzentnahme und die Beweidung festgelegt, um Konsum und natürliche Reproduktion aufeinander abzustimmen. Stets erfolgte eine Anpassung an die konkreten kleinräumigen Umweltbedingungen, sodass sich in Liechtenstein in den Oberländer Talgemeinden, den Walsergemeinden und im Unterland unterschiedliche Varianten der herrschaftlich-genossenschaftlichen Agrarverfassung feststellen lassen. Änderungen in der Organisation der Flächennutzung brachte die «Kleine Eiszeit» mit sich, die auf ihrem Höhepunkt im 16. Jahrhundert zum Rückbau der Anbauflächen und zur Ersetzung durch weniger kälteanfällige Weiden zwang.
Ein weiteres Element der Agrarverfassung war das Bodenerbrecht. In Liechtenstein wurde statt des verbreiteten Anerbenrechts die Realteilung bevorzugt. Sie hatte den Vorteil, alle männlichen Kinder zu berücksichtigen. Zugleich hatte sie den Nachteil, immer kleinere und damit ärmere Hofstellen zu kreieren, da die Gesamtsumme der Nutzungsrechte nicht vermehrt werden durfte.
Die dritte Phase der Agrarverfassung wurde durch die aufgeklärte «Revolution von oben» eingeläutet. Die landesfürstliche Dienstinstruktion von 1808 war ein Markstein, der einen sich bis in die 1860er Jahre hinziehenden Reformprozess in Gang setzte. Der Staat lehnte sich dabei an die physiokratisch-liberale Wirtschaftslehre an, die ein attraktives Programm entworfen hatte, wie sich durch einen völligen Bruch mit der hergebrachten Agrarverfassung Produktions- und Wohlstandszuwächse erzielen liessen. Die genossenschaftlichen Allmenden einerseits und das herrschaftliche Obereigentum mit den daraus abgeleiteten Feudallasten andererseits sollten wegen ihrer für eine effektive Landnutzung als hinderlich angesehenen Wirkung aufgelöst und durch privates Bodeneigentum für eigenverantwortlich wirtschaftende Bauern ersetzt werden (→Bauernbefreiung). Neben praktischen Erwägungen stand hinter diesen Reformbestrebungen ein neuartiges, an der mechanischen Physik orientiertes Naturbild, das analog zur Annahme, die Natur habe eine Atomstruktur, ein individualistisches Gesellschaftsbild forderte. Ein zweiter reformauslösender Faktor lag ab den 1780er Jahren in der Bevölkerungsexplosion, welche die Kapazitätsgrenzen der alten Agrarverfassung zu sprengen drohte. Drittens spielte die Erweiterung der Anbaupflanzentypen die Rolle eines Reformmotors, besonders durch die unempfindliche und biomassereiche südamerikanische Kartoffel (ab 1817 verstärkt). Mit ihr liess sich pro Flächeneinheit deutlich mehr Nahrung produzieren, doch war hierfür die Auflösung der hergebrachten Mehrfachflächennutzung erforderlich. Parallel forcierte der Staat die Güterzusammenlegung und den Übergang zum Anerbenrecht. Die Umsetzung von alledem erwies sich als Jahrhundertprojekt.
Eine ältere Auffassung sah in der liberalen Umformung der Agrarverfassung die Ursache der bemerkenswerten Produktionssteigerungen des 19. und 20. Jahrhunderts, welche in Liechtenstein eine Versechsfachung der Bevölkerung trugen. Jedoch hat die jüngere Umweltgeschichtsforschung betont, dass der primäre Erfolgsfaktor darin bestand, dass die Erträge der Landwirtschaft durch importierte bzw. industriell gefertigte Düngemittel gesteigert werden konnten. Zu beachten bleibt, dass die liberalen Agrarreformen in Liechtenstein nur teilweise verwirklicht wurden; gewichtige Reste der alten Agrarverfassung haben sich in Form des Gemeindebodens, des Gemeindenutzens und der Bürgergenossenschaft bis heute behauptet.
Fundamental wurde der Stellenwert der Agrarverfassung durch die Industrielle Revolution berührt, die einen weitgehenden Untergang des Bauerntums herbeiführte: Waren um 1800 mehr als 90 % der liechtensteinischen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, so sind es heute weniger als 2 %. Seit 1950 stand diese Dynamik in einer Wechselwirkung zur Mechanisierung der nunmehr stark rationalisierten Landwirtschaft. Die Verordnung über die Güterzusammenlegung von 1954 und das Meliorationsgesetz von 1981 trugen derselben Rechnung, indem die Agrarflächen traktorgerecht neu formiert wurden. Ferner führte das Aussiedlungsgesetz von 1962 zum Transfer zahlreicher Landwirtschaftsbetriebe aus den Dorfkernen in die Nutzflächen hinein. Auf die Umweltprobleme, zu denen der übermässige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden gehörte, reagierte Liechtenstein seit der ersten Hälfte der 1990er Jahre mit einer zunehmend auch ökologische Belange berücksichtigenden Landwirtschaftspolitik. Im Übrigen entwickelt sich die liechtensteinische Agrarverfassung seit 1924 in der Konsequenz des Anschlusses an das schweizerische Wirtschaftsgebiet in enger Anlehnung an das protektionistische, subventionsorientierte Modell der Eidgenossenschaft. Inwieweit der schweizerisch-liechtensteinische Agrarprotektionismus in Zukunft gegen den Liberalisierungsdruck der WTO und EU verteidigt werden kann, ist ungewiss.
Aktion Dornröschen: Feministische, politische Gruppierung, im April 1981 von Regina Marxer und Barbara Rheinberger gegründet (1981: 17 Mitglieder). Ziel war die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts. Die Aktion Dornröschen wollte die Frauen aus ihrem «politischen Dornröschenschlaf» aufrütteln, die Bevölkerung auf die Diskriminierung der liechtensteinischen Frauen bezüglich der politischen Rechte aufmerksam machen. Aktivitäten: 1981 Herausgabe einer Broschüre zum Frauenstimmrecht, 1982 «Quadratschädel»-Flugblatt, 1982–84 Gespräche mit Regierungs- und Landtagsmitgliedern, 1982 Verfassungsbeschwerde beim Staatsgerichtshof, 1983 Aktion beim Europarat in Strassburg. 1982 bildete sich innerhalb der Aktion Dornröschen die Gruppe «Männer für das Frauenstimmrecht». Beide Gruppen lösten sich nach der Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts im Jahr 1984 auf.
Aktionskomitee heimattreuer Liechtensteiner: Das Aktionskomitee heimattreuer Liechtensteiner trat erstmals am 12.5.1945 in Erscheinung. Es richtete zur Landtagseröffnung ein Schreiben an den am 29. April neu gewählten Landtag, die Regierung und den Fürsten und forderte darin die Bestrafung aller «Vaterlandsverräter». Damit waren einheimische und ausländische Nationalsozialisten gemeint, besonders aus dem Kreis der Volksdeutschen Bewegung und der Zeitung «Der Umbruch». Am 21.5.1945, Pfingstmontag, stellten Personen aus dem Umfeld des Aktionskomitee heimattreuer Liechtensteiner am Lindenplatz in Schaan Plakattafeln und einen Galgen auf, um diese Forderung zu unterstreichen. Diese Aktion sorgte für Aufregung. Da auch Exponenten der Vaterländischen Union angegriffen wurden, kam es zu einer parteipolitischen Auseinandersetzung in den Zeitungen. 1946 ergingen Gerichtsurteile u.a. gegen die Anführer des Anschlussputsches vom März 1939.
Alamannen (Alemannen): Die 289 n.Chr. erstmals genannten Alamannen erscheinen in römischen Quellen als Gegner der Römer im heutigen Südwestdeutschland. Archäologische Funde zeigen, dass die mit dem neuen Namen benannten Germanengruppen vorwiegend aus dem Einzugsgebiet der Elbe stammten. Das um 260 n.Chr. von den Römern aufgegebene Gebiet zwischen Rhein und Limes wurde von Norden nach Süden und vom limesnahen Gebiet aus von Alamannen besiedelt. Raub- und Plünderungszüge im 3.–5. Jahrhundert in römisches Reichsgebiet führten auch durch das Rheintal nach Oberitalien. Das zeigen Zerstörungsschichten in Siedlungen, der Rückzug auf Höhensiedlungen und Schatzfunde in Liechtenstein (→ Völkerwanderung). Um die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert wurde der Rhein-Iller-Donau-Limes als römischer Grenzschutz gegen die Alamannen errichtet und in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts verstärkt. Zu diesem Ausbau gehört das römische Kastell in Schaan.
Mit den Niederlagen gegen den fränkischen König Chlodwig bei Zülpich (496/97 und 505/06) verloren die Alamannen ihre Unabhängigkeit. Die Oberschicht suchte Schutz in burgundischem und ostgotischem Gebiet, das damals bis ins bayerische Voralpenland reichte. Das alamannische Südwestdeutschland wurde unter der Führung von Herzögen dem Fränkischen Reich eingegliedert. 537 wurde das inneralpine Gebiet und das rätische Voralpenland in den fränkischen Machtbereich einbezogen. Danach kam es unter fränkischem Einfluss zur Ansiedlung von Alamannen südlich von Rhein und Bodensee (→ Alamannenareale). Der Integration des romanischen Gebiets südlich und des alamannischen nördlich von Rhein und Bodensee diente die Gründung des Bistums Konstanz um 600. Das 7. Jahrhundert war geprägt von Beziehungen der Alamannen zu den Langobarden in Italien. Der Karolinger Pippin schaltete die alamannische Führungsschicht auf dem Cannstatter Gerichtstag 746 aus. Danach wurde Alamannien als Grafschaft ins Karolingerreich einbezogen.
Alamannenareale: Archäologische Fundorte in den Gemeinden Balzers, Schaan und Eschen, bestehend aus Gräberfeldern.
Während des Frühmittelalters siedelten sich im Alpenrheintal im Wohngebiet der einheimischen rätoromanischen Bevölkerung Alamannen an; Balzers bildet dabei den südlichsten Ausbreitungspunkt. Es sind nur Gräber bekannt, Siedlungen aus dieser Zeit sind bisher keine entdeckt worden.
Das Gräberfeld von Balzers liegt auf dem Runden Büchel, einem kleinen Inselberg im Rheintal, wo 1980–82 auf der Kuppe und am Hang fünf kleine Gräberbezirke gefunden wurden, die zu einem frühmittelalterlichen Körpergräberfeld gehören und als Sippenfriedhöfe interpretiert werden. Insgesamt handelt es sich um 92 anthropologisch untersuchte Bestattungen (Männer, Frauen und Kinder), die im Allgemeinen west-ost-orientiert sind; die Toten wurden auf dem Rücken ins Innere von Steinkisten und von Steinsetzungen oder in einfache Erdgräber gelegt. Die Datierung der spärlichen Grabbeigaben und naturwissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Friedhof ab der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts n.Chr. bis gegen 800 n.Chr. benutzt wurde, also rund 100 Jahre lang. Die Gräber werden der Endphase der Alamannisierung des Rheintals zugeordnet.
Im Gegensatz zum gut erforschten Gräberfeld von Balzers gibt es nur wenige Erkenntnisse zu einem alamannischen Reihengräberfeld in Schaan. Im Zug von Bau- und Aushubarbeiten kamen immer wieder Skelette und Beigaben zum Vorschein; insgesamt wurden in den Jahren 1902, 1910, 1934, 1938 und 1940 über 20 Gräber gefunden, die in der Nähe der alten Pfarrkirche St. Laurentius in einem heute dicht überbauten Gelände (Dorfteil Specki) lagen, rund 500 m vom spätrömischen Kastell entfernt (wo beigabenlose, ebenfalls frühmittelalterliche Gräber gefunden wurden, die jedoch vermutlich der rätoromanischen, christlichen Bevölkerung zuzurechnen sind). Die wenigen dokumentierten Gräber gehören zu einem alamannischen Gräberfeld, über dessen Ausdehnung nur Mutmassungen angestellt werden können, da der grösste Teil ohne Dokumentation zerstört wurde. Eines der wichtigsten Gräber ist ein reiches, teilweise zerstörtes Grab einer Frau mit Glasperlenschmuck um den Hals, Ringen an den Armgelenken, einer Wadenbinden- und Schuhgarnitur sowie einem Gürtel mit Gehänge, zu dem eine bronzene Amulettkapsel und eine Zierscheibe aus Bronzeblech mit einem Tierwirbel-Muster gehören. Das Grab kann aufgrund der Beigaben ins 7. Jahrhundert datiert werden. Von den übrigen Gräbern kennt man Reste der Gürtelgarnituren, Messer, Saxe, Spathen, Pfeilspitzen, weitere Glasperlen und Schmuck. Einige der Gräber wiesen Steinumrandungen auf und waren entweder west-ost- oder süd-nord-orientiert.
Ein weiteres Reihengräberfeld von unbekannter Ausdehnung liegt im Bongerta in Eschen. In den Jahren 1953–54 und 1962 wurde hier bei Bauarbeiten rund ein Dutzend südwest-nordost-orientierte Gräber gefunden, von denen zwei mit Steinen eingefasst oder überdeckt waren. Die Beigaben lassen sich nur noch teilweise den einzelnen Gräbern zuordnen und bestehen aus zahlreichen Teilen von Waffenausrüstungen (Spathen, Saxe, Gürtelbeschläge), die aus dem 7. Jahrhundert datieren. Neue Beobachtungen und Grabungen seit 1998 haben das Bild über das Totenbrauchtum der germanischen Einwanderer in Eschen korrigiert und ergänzt. Das Gräberfeld zählt mittlerweile mindestens 71 dokumentierte Bestattungen. Auffallend sind mehrere viereckige Steinsetzungen ca. 1 m oberhalb der Skelette. Sie müssen ursprünglich als Oberflächenmarkierungen sichtbar gewesen sein. Die meisten Toten wurden in ihrer Tracht, mit ihren Waffen und ihrem Schmuck beigesetzt. Manche Alamannen starben sehr betagt. So erreichten 12 Individuen ein Alter von über 60 Jahren. Ein Mann erlebte sogar seinen 80. Geburtstag. Hingegen war die Frauensterblichkeit zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr am höchsten. Viele Männer erreichten eine Körpergrösse von mehr als 1,66 m, während die Frauen selten grösser als 1,60 m wurden. Während ihres Lebens litten sie vor allem an Arthrose, Karies, Wundinfektionen und Mangelernährung.
Alber: Geschlecht aus Mauren. 1990 trugen in Liechtenstein 7 Personen den Namen Alber. Erstmals erwähnt 1502 in Ruggell. 1569 als Feldkircher Ausbürger in der Herrschaft Schellenberg erwähnt. Für die Alber aus Mauren kann ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine Genealogie erstellt werden (ein Stamm). Im 19. Jahrhundert wanderten die meisten Familienmitglieder der heute noch blühenden, schmalen Line nach Jakob Alber (1780–1862) nach Frankreich und in die USA aus.
Alkoholismus: Alkoholismus (Trunksucht) ist die physische und psychische Abhängigkeit von Alkohol. Wurde übermässiger Alkoholkonsum früher als Willens- oder Charakterschwäche angesehen, gilt Alkoholismus heute als Krankheit. Ein täglicher Konsum von mehr als 50 g reinem Alkohol bei Frauen bzw. 80 g bei Männern gilt als kritisch. Alkohol ist in Liechtenstein die am weitesten verbreitete Droge, mässiger Konsum ist gesellschaftlich akzeptiert. Der Alkoholkonsum in Liechtenstein ist bisher kaum historisch untersucht worden.
Liechtenstein ist traditionell ein Wein- und Mostland. Dem Bier als heute beliebtestem alkoholischem Getränk kam historisch weniger Bedeutung zu (→ Getränkeproduktion). Die Überlieferung zum Branntweinkonsum ist bis ins 19. Jahrhundert spärlich. Im späten 19. Jahrhundert intensivierte sich die Schnapsproduktion. In der Krisenzeit der 1930er Jahre, in der hohe Arbeitslosigkeit und sozioökonomische Not herrschten, ging der Verkauf von Alkoholika um über 50 % zurück. 1991 lag die Zahl der Alkoholiker in Liechtenstein bei rund 2–3 % der Bevölkerung; hinzu kamen gemäss behördlichen Schätzungen rund 1300 abhängigkeitsgefährdete Personen (gut 4 %).
Die Obrigkeit begegnete der Trunksucht seit der frühen Neuzeit mit Verboten und Strafen. Der Vaduzer Landsbrauch (Abschrift 1667) beauftragte Pfarrer bzw. Wirte, gegen übermässigen Alkoholkonsum zu predigen resp. keine Zeche anzuschreiben; das Zutrinken wurde verboten, Trunkenheit bestraft. Die liechtensteinischen Polizeiordnungen von 1732 und 1844 limitierten den Ausschank von Alkohol in Gaststätten. Die Trunksucht wurde besonders mit Blick auf die Verarmung und moralische Zerrüttung bekämpft. Die Verfassung von 1921 weist dem Staat die Aufgabe zu, für die «Bekämpfung der Trunksucht sowie die Besserung von Trinkern und arbeitsscheuen Personen» zu sorgen. Der Staat besitzt das Monopol für die Herstellung und die Einfuhr gebrannter Wasser. Mit dem Zollvertrag von 1923 lehnte sich die Alkoholpolitik an diejenige der Schweiz an. 1929–80 wurde aus finanzpolitischen Gründen und zur Dämpfung des Alkoholkonsums eine Alkoholsteuer erhoben. An Jugendliche unter 18 Jahren dürfen keine gebrannten Wasser ausgeschenkt werden, unter 16-Jährigen ist der Konsum von Alkoholika gänzlich verboten.
Alkoholkranke wurden früher z.T. in Bürgerheimen untergebracht. Seit 1966 regelt das Sozialhilfegesetz die staatliche Hilfe für Alkoholabhängige. Für die stationäre Behandlung bestehen Verträge mit verschiedenen Kliniken und Therapieeinrichtungen in der Schweiz und in Österreich. Geleitete Gruppen sowie Selbsthilfegruppen für Alkoholkranke und deren Angehörige bestehen seit den 1980er Jahren. Sucht wird in jüngerer Zeit vermehrt als gesellschaftliches und kulturelles Phänomen verstanden, das nicht beseitigt werden kann, sondern mit präventiven Mitteln verringert werden soll.
Allgemeines Treuunternehmen (ATU): Das am 5.4.1929 von Guido Feger als «Treu-Bureau Treuhandinstitut» in Vaduz gegründete und am 17.8.1936 in «Allgemeines Treuunternehmen» umbenannte ATU gehört zu den ältesten und grössten Treuhandunternehmen in Liechtenstein. Der Schwerpunkt besteht in der Gründung und Verwaltung von Sitzunternehmen für eine internationale Kundschaft, anfänglich auch in der Betreuung von Einbürgerungen und Niederlassungen. 1931 gründete Feger die «Allgemeine Treuhand-AG», die v.a. liechtensteinischen Kunden in Wirtschafts- und Steuerfragen beriet und Buchprüfungen durchführte. 1937 erhielt er die Konzession zum Betrieb einer Rechtsagentur. Feger arbeitete zunächst eng mit nach Deutschland orientierten Zürcher Banken und Finanzintermediären zusammen. Unter seiner Kundschaft befanden sich auch Juden, die sich und ihre Vermögen vor dem NS-Regime zu retten versuchten. Bis 1944 hatte das ATU nur eine Angestellte, danach wuchsen Geschäfte und Mitarbeiterzahl kontinuierlich an (1950: 6 Mitarbeiter, 1960: 15, 1970: 43, 2004: rund 100). 1956 gründete Feger für die ATU-Kunden die Verwaltungs- und Privatbank AG (VP Bank). Die 1981 gegründete Mercotrust AG, Vaduz, errichtet v.a. Treuhänderschaften (Trusts). Ab 1995 Gründung verschiedener Joint Ventures mit der VP Bank auf den British Virgin Islands.
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB): Weitestgehend vom Naturrecht beeinflusste Kodifikation des gesamten bürgerlichen Rechts; in Österreich am 1.1.1812 in Kraft getreten und in Liechtenstein mit fürstlicher Verordnung vom 18.2.1812 rezipiert. Da die liechtensteinische Erbfolgeordnung von 1809 in Geltung blieb, trat das Erbrecht des österreichischen ABGB in Liechtenstein erst aufgrund des Erbrechtspatents von 1846 in Kraft. Die Privatrechtsentwicklung in Liechtenstein ging zunächst mit jener in Österreich konform, bis 1843 in Form einer «automatischen» Rezeption aller Nachtragsverordnungen und Erläuterungen. Die grosse Teilrevision des österreichischen ABGB durch die Novellen von 1914, 1915 und 1916 machte Liechtenstein nicht mit. Stattdessen war eine Neukodifikation des liechtensteinischen Privatrechts geplant, die sich an der moderneren Konzeption und dem präziseren Inhalt der schweizerischen Zivilrechtskodifikation (ZGB und OR) orientieren sollte. Vom «Liechtensteinischen Zivilgesetzbuch» wurden nur das Sachenrecht von 1922 sowie das Personen- und Gesellschaftsrecht von 1926 und 1928 verwirklicht. Umfangreiche Eingriffe in das liechtensteinische ABGB mit dem Ziel einer grundlegenden Modernisierung erfolgten besonders im Zug der Justizrechtsreform der 1970er Jahre, wovon u.a. Eherecht, Arbeitsvertrag und Mieterschutz betroffen waren, sowie durch die Ehe- und Familienrechtsreform von 1993.
Allgäuer, Johann: Landammann. *20.8.1740 Eschen, †16.4. 1786 Eschen, von Eschen. Sohn des Johann und der Maria Marxer, Schwester des Landammannes Georg Marxer, zehn Geschwister. ⚭ 1767 Maria Katharina Kaiser (*18.11.1744, †24.1.1803), acht Kinder. Lehrer («ludimagister»). 1770–76 Landammann der Landschaft Schellenberg. Allgäuers Witwe erhält nach seinem Ableben einen Anteil am Fluxlehen und eine halbe Pacht auf der herrschaftlichen Alp Sücka.
Allgäuer, Robert: Kabinettsdirektor. *17.1.1937 Eschen, von Eschen, wohnhaft in Vaduz. Sohn des Gemeindekassiers Reinold und der Maria Albertina, geb. Bühler, drei Geschwister. ⚭ 6.8.1962 Beatrix Marchon (*6.5.1936), drei Kinder.
Gymnasium in Immensee (SZ) und Stans (NW), 1957 Matura, 1959–1960 Bibliothekspraktika in Bern und Biel (BE). 1961–1972 war Allgäuer der erste Leiter der Liechtensteinischen Landesbibliothek, an deren Aufbau er massgeblich beteiligt war, und des Liechtensteinischen Landesarchivs. 1973–1984 Fürstlicher Kabinettsdirektor.
Allgäuer ist vielseitig kulturell engagiert, verlegerisch und publizistisch tätig. 1965–1996 Mitglied des Vorstands des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1985–1994 Jahrbuchredaktor, 1996 Ehrenmitglied), 1973–1985 Mitglied des Stiftungsrats des Liechtensteinischen Landesmuseums und 1976–1988 des Stiftungsrats der Staatlichen Kunstsammlungen, 1985–1994 Präsident des Kulturbeirats der liechtensteinischen Regierung. 1989 gründete Allgäuer den Schalun Verlag, Vaduz.
Kirchlich-soziales Engagement als Sekretär des Liechtensteinischen Entwicklungsdienstes (1965–1974), Präsident der liechtensteinischen Fastenopferkommission (1971–1986), Mitglied des Dekanatsseelsorgerats (1974–1980) und des Arbeitskreises für Erwachsenenbildung (1979–1998), Initiant von «Wir teilen: Fastenopfer Liechtenstein» (2001).
1983 Grosskreuz mit Brillanten des fürstlich liechtensteinischen Verdienstordens, 1984 Fürstlicher Rat, 1993 Josef-Gabriel-von-Rheinberger-Preis, 1996 Kulturpreis der Gesellschaft Schweiz-Liechtenstein.
Allgäuer: Geschlecht aus Eschen. 1990 trugen in Liechtenstein 42 Personen den Namen Allgäuer. Erstmals erwähnt 1555. Für das Geschlecht kann ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine zusammenhängende Genealogie erstellt werden (ein Stamm). Die Familie brachte im 18. Jahrhundert mit Johann einen Landammann der Landschaft Schellenberg hervor. Sein Bruder Franz Josef (1727–1793) ist ab 1756, dessen Sohn Franz Josef (1763–1801) ab 1793 als Tavernenwirt und Zoller im heutigen Gasthaus zum «Hirschen» in Eschen erwähnt. Dieser Linie entstammt auch der Kabinettsdirektor Robert.
Allmende: Das Wort Allmende ist sprachlich mit «allgemein» verwandt. Es bezeichnet land- oder forstwirtschaftlich genutzten Boden, der nicht einem einzelnen Privatbesitzer, sondern einer in einem Siedlungsverband ansässigen Nutzergenossenschaft (→ Genossenschaft) gehört. Dieser Boden oder ein Teil davon kann als Allgemeingut allen Mitgliedern der Nutzungsgenossenschaft zur Verfügung stehen oder einem einzelnen Mitglied zur alleinigen Nutzung übergeben sein. Grundstücke, die als Allgemeingut dienen, tragen oft die Bezeichnung Allmende, in Liechtenstein ist die Variante «Allmein» üblich.
Im Rahmen der vom Hochmittelalter bis ins frühe 19. Jahrhundert vorherrschenden herrschaftlich-genossenschaftlichen Agrarverfassung stand im Gegensatz zu heute dem Individuum kein absolutes Verfügungsrecht über den von ihm genutzten Boden zu. An den Landnutzungsrechten hatten noch folgende Instanzen Anteil: 1. Adel und Klöster als Inhaber der Grundherrschaft, 2. die Gemeinde und 3. die Familie und die Verwandtschaft. Somit war aller Boden in einem gewissen Sinn Allmende. Dieser Umstand lässt es als berechtigt erscheinen, Allmende für diese Epoche nicht nur als Bezeichnung für Boden zu verwenden, sondern als grundlegendes Umweltnutzungs- und Eigentumsmodell zu betrachten.
Umstritten waren lange Zeit die Ursprünge der Allmende. Die ältere Theorie der Markgenossenschaft meinte uralte Wurzeln in germanischen Stammesverbänden erkennen zu können, während die jüngere Agrar- und Umweltgeschichtsforschung die Entstehung auf den Rodungs-, Siedlungs- und Erschliessungsschub des hohen Mittelalters zurückführt. Heute ist anerkannt, dass die Allmende erst die Nutzungsform einer voll entwickelten Agrarzivilisation war bzw. ist.
Je nach Teilökosystem gab es in Bezug auf die Allmende unterschiedliche Mischungsverhältnisse kollektiver und individueller Rechte: Wälder und Weiden samt Alpen waren regelmässig als ungeteilte Gesamtfläche der örtlichen «Allgemeinheit» zugeordnet. Hingegen waren die Anbauflächen für das Brotgetreide stärker individualisiert. Dort gab es dauerhafte Zuordnungsverhältnisse zwischen einzelnen Hausgemeinschaften und konkreten Landparzellen. Aber auch diese Grundstücke waren in genossenschaftliche Entscheidungsprozesse über die Bodennutzung eingebunden, indem sie im Rahmen des Atzungsrechts zu gewissen Zeiten einer allgemeinen Nutzung als Viehweide offen standen. Auch konnte die Gemeinde ausgelaugte Anbauflächen in den kollektiven Weidebereich zurücknehmen, wofür sie den betreffenden Gemeindemitgliedern an anderen Orten Landparzellen, sogenannte «Gemeindsteilungen», zu Anbauzwecken zuwies. Hatte eine Witwe keine Söhne, so durfte sie entsprechend ihrem geringeren Bedarf nur die halbe «Gemeindsteilung» behalten. Am stärksten trat die individuelle Komponente bei den Gärten im Siedlungsbereich hervor, wo Sonderkulturen pflanzlicher Nahrung wie Obst, Gemüse und Reben angebaut wurden.
Allmendeeigentum bedeutete nicht, dass sich jeder nehmen konnte, was und wie es ihm beliebte. Es wurde durch öffentliche Normensysteme ergänzt, die das Gemeinschaftsinteresse an der Sicherung der Existenzgrundlagen und an der Minimierung ökologischer Risiken gewährleisten sollten. Es handelte sich um ein nachhaltigkeitsorientiertes Umweltrecht, das durch eine systematische Mengensteuerung, besonders über die Definition von Obergrenzen und eine anteilsmässige Verteilung, dem Ziel der präventiven Vermeidung von Übernutzung dienen sollte (→ Wald, → Rindviehhaltung). Genutzt werden durfte die Allmende nur zur Eigenversorgung, während individuelle Entnahmen von z.B. Holz zu Verkaufszwecken unter Strafe standen, so etwa in der Holzordnung der Dörfer Schaan und Vaduz von 1559.
Das Allmendemodell funktionierte nur, wenn die Zahl der Nutzungsberechtigten dessen Tragfähigkeit nicht überschritt. Nach innen gewendet folgten die Lokalrechte häufig der Strategie, die Fortpflanzungsberechtigung (Ehe) an die Übernahme einer ernährungstragenden Stelle zu koppeln. Liechtenstein unterband allerdings nicht generell die erbrechtliche Vermehrung der Hofstellen, sondern liess die Realteilung zu, sofern die Bruchteilsstelle lebensfähig war. Nach aussen schützte man den Allmendebestand durch die Erschwerung des Zuzugs. Grundsätzlich waren nur die alteingesessenen Familien teilhabeberechtigt, während Fremde einem Zustimmungserfordernis der Gemeinde samt hohen Einkaufsgebühren unterworfen waren. Letztlich erwies sich die tragfähigkeitsorientierte Bevölkerungsgrössensteuerung als das schwächste Element des Allmendemodells: Spätestens in den 1780er Jahren liess sich eine markante Zunahme der Einwohnerzahl feststellen.
Infrage gestellt wurde das Eigentumsmodell der Allmende von den physiokratisch-liberalen Wirtschaftstheorien der Aufklärung, die um 1800 ein europaweites Klima der Umwandlung der Allmenden in individuell genutzte Privatgrundstücke entstehen liessen. Davon beeinflusst machte sich in Liechtenstein die Obrigkeit ab 1808 an die Privatisierung der Allmenden. In einigen Gemeinden, wie Vaduz und Ruggell, wurde praktisch sämtlicher Gemeinbesitz privatisiert, doch waren die meisten der um ihren Konsens ersuchten liechtensteinische Gemeinden analog zur benachbarten Schweiz darin erfolgreich, eine vollständige Aufteilung der Allmenden in Einzelgrundstücke zu verhindern. Mit dem Gemeindegesetz von 1864 endeten die Privatisierungsbemühungen wieder. Das 1812 in Liechtenstein übernommene österreichische Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch kannte im Paragrafen 288 eine Unterscheidung zwischen dem Gemeindevermögen, das den öffentlichen Gemeindefunktionen dienen sollte, sowie dem Gemeindegut, das der Nutzung durch die Gemeindemitglieder gewidmet war (→ Gemeindeboden, → Gemeindenutzen). Nach mannigfaltigen Versuchen der Entflechtung von öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Sphäre wurde 1996 die Trennung von politischer Gemeinde und Nutzungsgenossenschaft in die Wege geleitet (→ Bürgergenossenschaft).
Almbruderhof: Bezeichnung für die 1934–38 auf Silum (Gemeinde Triesenberg) bestehende Bruderhofgemeinschaft deutscher Hutterer. Die nach Jakob Hutter (1500–1536) benannten Hutterer sind eine aus der Reformation hervorgegangene Gruppe der Täufer. Sie leben pazifistisch und nach dem Armutsideal in christlich-kommunistischer Gütergemeinschaft. Die 1920 vom Theologen Eberhard Arnold (1883–1935) gegründete deutsche Brudergemeinde wurde, wie andere christliche Sekten, ab 1933 in Deutschland verfolgt. Rund 85 deutsche Hutterer, darunter Familien und Eberhard Arnold, kamen ab 1934 nach Liechtenstein, wo sie das «Kurhaus Silum», einige Hütten und umliegendes Land in Pacht nahmen. Sie bildeten die grösste zusammengehörende zivile Flüchtlingsgruppe, die in Liechtenstein zwischen 1933 und 1945 Aufnahme fand. Der Almbruderhof führte eine eigene, unter der Aufsicht des Landesschulrats stehende Schule. Die landwirtschaftlich und handwerklich geschickten Almbruderhöfer unterhielten eine Werkstätte und ein Treibhaus. Um bessere Erträge zu erhalten, mischten sie die lehmige Erde auf Silum mit Sand. An der Landesausstellung 1934 nahmen sie mit kunstgewerblichen Arbeiten teil.
In der liechtensteinischen Bevölkerung herrschte von Beginn an Skepsis gegenüber den Hutterern. Es wurde befürchtet, dass sie sich niederlassen und Grundbesitz erwerben wollten. 1935 lehnten die Triesenberger eine Wegweisungsinitiative mit 122 zu 106 Stimmen knapp ab. Ab 1936 übersiedelten die Almbruderhöfer nach England, später nach Übersee. Die letzten verliessen Liechtenstein im März 1938.
Alpabfahrt: Als Alpabfahrt oder Alpabtrieb wird die Überführung des Viehs von den Alpweiden in die tiefer gelegenen Heimbetriebe der Berg- oder Talbauern bezeichnet (→Alpwirtschaft). Die Alpabfahrt ist zeitlich bestimmt durch Kälteeinbrüche und rückläufiges Futterangebot im Herbst. Sie erfolgt unterschiedlich je nach Lage der Alp und Witterung Anfang September bis Anfang Oktober. Die Festlegung der Termine für den Viehauftrieb im Frühsommer und die Alpabfahrt ist bei gemeinschaftlichem Alpbetrieb Gegenstand alprechtlicher Nutzungsordnungen (→ Alprecht).
Wenn der Alpsommer für Mensch und Tier ohne schwere Unfälle verlaufen ist, werden die Herden für die Alpabfahrt vielfach kunstvoll geschmückt. Den besten Milchkühen werden schöne und schwere Glocken umgehängt, verzierte Melkstühle als Kopfschmuck aufgesetzt und aus Holz gefertigte Alpabfahrtsherzen auf die Stirn gebunden. Letztere sind ein seit 1830 nachweisbarer, auf Liechtenstein beschränkter Brauch.
Alpelti (Älple): Alp im oberen Saminatal, Gemeinde Triesenberg, 1460–1993 m ü.M., 122,3 ha, davon 34 ha produktive Weidefläche. Grenzt nördlich an die Alp Sücka (Triesenberg), östlich an die Valüna, westlich an den Wang (beide Triesen) und südlich an Gapfahl (Balzers). Der Name ist das walserische Diminutiv von «Alp». In Urkunden auch (evtl. Zusammenhang mit rätoromanisch für Alpenerle) und im Brandisischen Urbar (um 1509/17) genannt.
Erste urkundliche Erwähnung 1403, als der Walser Hensli Gassner von Triesenberg das Alpelti von der Nachbarschaft Triesen zu Erblehen erhielt. 1665 wurde das 1562 von einer Privat- zu einer Triesenberger Gemeindealp gewordene Alpelti durch die Triesenberger gekauft. Schon im ersten Lehensvertrag (1403) war ein Schneefluchtrecht in die Valüna festgelegt. Die 1509/17 erwähnte Belastung mit dem Vogelmolken (9 Pfund Schmalz und 3 Käse) deutet auf Kuhalpung und Sennerei hin. Noch 1868 wurden 33 Kühe und 37 Rinder gesömmert, 1928 nur mehr 74 Rinder; 2004 waren es 33 Kühe ohne Verkäsung, 3 Rinder und 13 Kälber. In den 1980er Jahren wurden teilweise auch Schafe gesömmert. Die maximale Bestossung der heutigen Galtviehalp beträgt 40 Grossvieheinheiten. Wurden um 1878 noch 14 Alphütten und Ställe gezählt, erfolgten nach der Einführung der Gemeinschaftssennerei 1888 der Bau eines gemeinsamen Alpgebäudes mit Stall und die Erschliessung mit einer befahrbaren Strasse. Das Alpelti gehört zum Hochjagdrevier Valüna.
Alpila (Alp): Ehemalige Alp. Gemeinde Schaan, 1421 m ü.M., am Westabhang der Drei Schwestern. Der Name leitet sich von alträtoromanisch her und bedeutet «kleine Alp», «Älple». Am 13.11.1625 bestätigte Andreas Schierser von Schaan die ihm von Graf Kaspar von Hohenems ausgestellte Erlaubnis, sein ob Schaan gelegenes Gut Alpila als Maiensäss zu nutzen. 1650 verkaufte Christian Tschabrun von Schaan Alpila an den Feldkircher Bürger und Ratsherrn Francisc Rainoldt von Baubawohl. Wie lange Alpila alpwirtschaftlich genutzt wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. In der ersten umfassenden Darstellung der liechtensteinischen Alpen von Klenze 1879 wird Alpila nicht mehr erwähnt. Das heutige Brauchtum der «Fronleichnamsbrötle» oder «Üsiherrgottsbrötle» (Abgabe eines Brötchens an die Kirchenbesucher am Fronleichnamstag durch die Gemeinde) geht laut mündlicher Überlieferung auf eine Auflage beim Verkauf von Alpila an die Gemeinde Schaan zurück, dessen Datum nicht bekannt ist. Heute ist das Gebiet von Alpila bewaldet und bildet ein eigenes Jagdrevier. 1938–61 wurde in Schaan ein liechtensteinisches Erfrischungsgetränk unter dem Namen «Alpila» produziert; ein Projekt der Mineralwasserproduktion kam 1994 nicht zur Ausführung.
Alprecht: Der dem Bereich der Alpwirtschaft zugehörende Begriff Alprecht hat drei verschiedene Bedeutungsinhalte: 1. das Nutzungs- und Eigentumsrecht an einer Alp, 2. die festgelegte Ordnung zu deren Nutzung, 3. einen bemessenen Eigentums- und Nutzungsanteil an den Weiden oder am Molkenertrag.
Aus den seit den Anfängen der Alpwirtschaft vielfältigen Besitz- und Betriebsformen entwickelten sich zwei Hauptformen von Alprecht, nämlich das Anrecht auf Nutzung und das Anrecht auf Eigentum. Wo Alpen Teil von Gemeingut im Tal und in kollektiver Verwaltung von Genossenschaften waren, die sich innerhalb eines Kirchspiels oder einer frühen Gemeindeform zur gemeinsamen Alpbewirtschaftung gebildet hatten, entstand Anrecht auf Nutzung (so bei den Alpen der Talgemeinden). Anrecht auf Eigentum entstand auf Privatalpen ohne Bindung an kollektives Talgut (so bei den Alpen der Walser am Triesenberg). Solches Alprecht wurde nach dem einzelnen Eigentumsanteil bemessen und war frei vererb- und handelbar. Alprecht ist auch die ältere Bezeichnung für das Vogelmolken, das landes- und grundherrliches Obereigentum an den Alpen belegt.
Zunehmende Nutzung der Alpweiden machte nach innen und aussen differenziertere Nutzungsordnungen zur Konfliktregelung, Sicherung von Nutzungs- und Eigentumsrechten und zur nachhaltigen Bewirtschaftung notwendig. Vereinbartes Alprecht wurde schriftlich in Urkunden oder Alpbüchern (Alpordnung, -statut) festgehalten. Auf den Triesenberger Maiensässen waren die Nutzungsanteile (sogenannte Weiderechte) auf Alprechtshölzern (→ Beigla) verzeichnet. Gegenstand von Regelungen waren zudem besondere Rechte und Dienstbarkeiten (Holzungs-, «Tratt-», Vor- und Nachweide-, Trieb-, Weg-, Tränke-, Schneefluchtrechte, Zäunungspflichten und Viehpfändung).
Alpsegen: Der Alpsegen, auch Betruf, Hirten- oder Sennenave genannt, war in Liechtenstein wie in den katholischen Berggebieten der Schweiz verbreitet. Er wurde nach getaner Arbeit vom Alpsenn allabendlich unter dem Kreuz in der Nähe der Alphütte in einer urtümlichen Vortragsweise über die Weiden gesungen. Es handelte sich um eine Art Gebetsrezitation in der Form eines textbezogenen Sprechgesangs mit Rufmelodik. Gott, Maria und mehrere Heilige wurden um Schutz vor Gefahren angerufen. Soweit die Stimme schallt, soll ein Bann wirken, ein magischer Ring gezogen sein, der alles Böse aufhält. Der Brauch des Alpsegens, möglicherweise im Spätmittelalter durch die Walser nach Liechtenstein gekommen, hielt sich zuletzt noch auf der Alp Pradamee bis 1984. Seither wird der Alpsegen nur noch gelegentlich bei feierlichen Alpanlässen von Sängern vorgetragen. Er ist nicht zu verwechseln mit der in Liechtenstein heute noch ausgeübten jährlichen Segnung der Alpen durch einen katholischen Priester.
Datei:13 Alpsegen von der Alp Pradame, Malbun FL.mp3
Alpwirtschaft: Alpwirtschaft ist eine Form extensiver Viehwirtschaft auf hoch gelegenen, abgegrenzten Weideflächen (Alpen), zeitlich beschränkt auf das hochsommerliche Viertel des Jahres (→ Rindviehhaltung). Der in sich geschlossene Alpbetrieb mit eigenen charakteristischen Wirtschafts- und Lebensformen ist wirtschaftlich und organisatorisch mit den bäuerlichen Betrieben im dauernd besiedelten Gebiet verbunden.
Die Nutzung der günstig gelegenen Hochweiden oberhalb der Waldgrenze ist wahrscheinlich ebenso alt wie die Dauerbesiedlung des Rheintals. Archäologische Einzelfunde im Alpengebiet weisen darauf hin. Eine Alpwirtschaft im engeren Sinn, Rodungstätigkeit im oberen Waldgürtel und Viehsömmerung als Bestandteil der Viehwirtschaft von Dauersiedlungen gab es wohl erst seit der Bronzezeit (2200–800 v.Chr.). Die in prähistorischer Zeit erschlossenen Alpen wurden auch in vorrömischer und römischer Zeit genutzt. Davon zeugen Hinweise in der antiken Literatur sowie keltische, rätische und römische Flurnamen und Sachwörter zur Alpwirtschaft (z.B. Trüia, Viehweglein, von vorröm. *). Die damals genutzten Flächen bildeten ebenso die Grundlage für die frühmittelalterliche Alpwirtschaft.
In den ältesten schriftlichen Quellen (ab dem 8. Jahrhundert) werden in unserer Region Alpen als Teil des von Gutshöfen genutzten Weidelands erwähnt. Die Alpen gehörten zum Königsland und waren wie Weiden und Wälder Teil der Adels- und Klosterherrschaft. Im Churrätischen Reichsgutsurbar (842/43) sind als Besitz königlicher Höfe in Schaan zwei, in Balzers zwei und in Mäls (oder Mels, SG) drei Alpen verzeichnet. Früher als Reichslehen vergeben, gingen diese Höfe und mit ihnen die Alpen ins Eigentum der regionalen weltlichen und geistlichen Herren über. Im Frühmittelalter schritten Besiedlung und Landesausbau abseits der talnahen Hänge nur zögernd voran. Die Viehwirtschaft basierte auf der Kleinviehhaltung (Schaf, Ziege, Schwein).
Im Hochmittelalter wurde die Grossviehhaltung durch Klöster und Adel gefördert. Vermehrte Vieh- und Milchwirtschaft und verbreitete Rinderhaltung bedingten grösseren Futterbedarf. Ab dem 12. und 13. Jahrhundert verstärkten sich die Rodungstätigkeit und Landerschliessung in bisher schlecht oder nicht genutzten Waldgebieten. In den mittleren Lagen entstanden in grösserem Umfang neue Weideflächen (Maiensässe), die zusammen mit den ebenfalls ausgeweiteten höher gelegenen Alpweiden die Grundlage für die bis heute bekannte Alpwirtschaft auf mehreren Höhenstufen bilden. Dabei wandert das Vieh in einem jährlichen Zyklus nach der Überwinterung im Heimstall auf die Maiensässe oder Vorweiden, erreicht im Hochsommer die höchsten Alpweiden und kehrt im Herbst in umgekehrter Reihenfolge in die Ställe im Tal zurück, wo während des Sommers auf den vom Viehtrieb entlasteten Flächen das Winterfutter gewonnen wird. In die hochmittelalterliche Expansionsphase fällt die Einwanderung der Walser, die den Prozess des Landesausbaus verstärkten, höhere Lagen mit Dauersiedlungen erschlossen und die Alpwirtschaft im Wesentlichen auf die auch heute genutzten Gebiete ausdehnten.
Aus den im Umfeld von frühmittelalterlichen Herrenhöfen und Kirchen entstandenen Weilern bildeten sich im Tal dörfliche Siedlungen. Gemeinschaftliche Daseinsbewältigung und Bodennutzung liessen aus ihnen selbständige Körperschaften mit genossenschaftlicher Organisation und Verwaltung wachsen (→ Gemeinde). Sie kauften im Spätmittelalter von den Landesherren fast alle Alpen, die sie meist schon vorher als Lehen genutzt hatten. Die Landesherren behielten das Obereigentum und hoheitliche Rechte wie das Holzschlagrecht und das Vogelmolken. Nur wenig Alpbesitz blieb landesherrliches Eigengut, z.B. die Alp Sücka. Urkundlich belegt sind 1355 die Alpen Malbun mit (Gross-)Steg und Bärgi als Eigentum des Kirchspiels Schaan-Vaduz, 1361 der Kauf der Alp Guschg durch dasselbe Kirchspiel und 1378 der Kauf der Alp Valüna durch das Dorf Triesen. Der Erwerb weiterer Alpen (→ Gritsch, → Valorsch, → Lawena, → Gapfahl, → Guschgfiel, → Güschgle) durch die drei Urpfarreien und Talgemeinden des Oberlands (Balzers, Triesen, Schaan-Vaduz) ist urkundlich nicht belegt. Die genannten Alpen waren aber alle nachweislich im 15. und 16. Jahrhundert deren Eigentum.
In den Dörfern hatten sich früh genossenschaftliche Zusammenschlüsse zur Nutzung der Alpen gebildet. Alpeigentum wurde aufgeteilt und Alpgenossenschaften zur Bewirtschaftung überlassen. Innerhalb des Kirchspiels Schaan-Vaduz wurde die Alp Malbun schon im 15. Jahrhundert durch Vaduzer Alpgenossen getrennt genutzt. 1503 erfolgte die Teilung der Alpen Gritsch und Guschg unter den Dorfgenossen der Schaaner Dorfteile St. Peter und St. Lorenz. In Triesen standen 1595–1718 die Alpen Lawena und Valüna in getrennter Nutzung der Genossen im Oberdorf und Unterdorf. Auch das Alpeigentum von Balzers nutzten früh getrennte Genossenschaften der Ortsteile Mäls und Balzers. Aus solch altem Nutzungseigentum entstand im 19. und 20. Jahrhundert grundbücherliches Eigentum, das in Schaan, Vaduz und Balzers an selbständige Alpgenossenschaften, in Triesen an die Gemeinde und 2004 an die neu gegründete Bürgergenossenschaft überging. Zwischen den verschiedenen Alpbesitzern kam es zu mannigfachen Grenz- und Nutzungskonflikten, u.a. um Atzungs-, Holzungs-, Weg- oder Schneefluchtrechte.
Die in den Höhenlagen von Triesenberg und Planken siedelnden Walser erwarben gleichzeitig mit und z.T. von den Talgemeinden umfangreichen Alpbesitz. Am Anfang der Besitzgeschichte der Walser Alpen stand jedoch nicht eine dörfliche Gemeinschaft, sondern es waren bis ins 16. Jahrhundert durchweg Gruppen einzelner Bauern, die Alpen als Lehen nahmen und kauften. So erwarben 1355 einige namentlich genannte Walser vom Kirchspiel Schaan-Vaduz einen Teil von Malbun als Erblehen, und 1371 verkaufte die Landesherrschaft die Alpen Guschgfiel und Güschgle ebenfalls als Erblehen an einige Walser. Erst 1562 legten die Gemeindsleute von Triesenberg die damaligen Walser Privatalpen Alpelti, Bargälla, Bärgi, Güschgle und Malbun zusammen und regelten deren Nutzung nach vorangegangener Schätzung und Gewichtung der privaten Anteilsrechte. Die Alpen Gross- und Kleinsteg sowie die später erworbenen Maiensässe Silum und Gaflei blieben Eigentum privater Genossenschaften. 1579 übertrugen auch die Besitzer der Plankner Alpen Gafadura und Garselli ihre Alprechte an die Ortsgemeinde. Im Zug der Gemeinderechtsrevision wurde der Alpbesitz der Ortsgemeinden Triesenberg und Planken 2000 grundbücherliches Eigentum der jeweiligen politischen Gemeinde.
In den Gemeinden des Oberlands war der Alpertrag (Raufutter, Mehrwert der Tiere, Milchprodukte) vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert ein wichtiger Teil der Existenzgrundlage der Heimbetriebe. Die Bewohner und Dörfer des Unterlands hingegen besassen in Liechtenstein keine Alpen. Erst relativ spät entstand Unterländer Alpbesitz in Vorarlberg: Einzelne Gruppen von Bauern kauften die Alpen Fahren-Ziersch (im 16./17. Jahrhundert), Tiefensee-Klesi (1821), Dürrwald (1872) und Elsenalp (1928), die Gemeinde Gamprin erwarb 1914 die Alp Rauz.
Neben verschiedenen Eigentums- und Besitzrechten an den Alpen haben sich in einer jahrhundertelangen, differenzierten Entwicklung und in unterschiedlicher Abfolge vielgestaltige Regelungen der Alpnutzung und -bewirtschaftung gebildet (→ Alprecht). Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Alpwirtschaft, besonders Grösse, Erschliessung und Qualität der Weideflächen, hängen von der Bewirtschaftungsart und den meist in Gemeinwerk und Alpfronen geleisteten Pflegemassnahmen ab. Der Tierbestand wurde entsprechend der Ertragskraft der Alp begrenzt, etwa durch die Zuteilung fester Kuhrechte (Stösse) oder durch die Winterungsregel, gemäss der jeder Alpberechtigte nur so viel Vieh auftreiben durfte, wie er mit dem auf dem eigenen Gut gewonnenen Futter überwintern konnte. Für die Erhaltung der Produktivkraft der Alpen wichtige Arbeitseinsätze betrafen u.a. Rodungsarbeiten, die Beseitigung von Schäden durch Lawinen, Rüfen und Bodenerosion, die Düngung und Unkrautbekämpfung. Die Weideflächen wurden zur Schonung verschiedenen Tieren zugeteilt (Kuh-, Rinderweiden), durch Zäune abgegrenzt und dem Stafelwechsel und Weideumtrieb unterworfen, Heuwiesen wurden durch Mauern geschützt. Die Verteilung der Aufgaben und Arbeiten auf Eigentümer, Nutzungsberechtigte, Alpbestösser und -personal führte zu vielgestaltigen Organisations- und Betriebsformen.

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